BGH-Urteil vom 23. Mai 2023 – VI ZR 476/18

 

Sachverhalt:

Der Kläger ist für verschiedene Gesellschaften tätig, die Finanzdienstleistungen anbieten. Die Klägerin war seine Lebensgefährtin und Prokuristin einer dieser Gesellschaften. Im Jahr 2015 erschienen auf der Webseite eines US-amerikanischen Unternehmens mehrere Artikel, die sich kritisch mit dem Anlagemodell einzelner dieser Gesellschaften auseinandersetzten.

Die Kläger verlangten von der Beklagten (Google), es zu unterlassen, diese Artikel bei der Suche nach ihren Namen und den Namen verschiedener Gesellschaften in der Ergebnisliste nachzuweisen und die Fotos von ihnen als Vorschaubilder („thumbnails“) anzuzeigen.

Der BGH legte den Fall dem EuGH zur Vorabentscheidung vor. Der EuGH beantwortete die Vorlagefragen im Dezember 2022 (C-460/20), wie HIER IM BLOG berichtet.

 

Entscheidung:

Der EuGH entschied im Dezember des Vorjahres, dass die Auslistung nicht davon abhängt, dass die Frage der Richtigkeit des aufgelisteten Inhalts im Rahmen eines von dieser Person gegen den Inhalteanbieter eingelegten Rechtsbehelfs einer zumindest vorläufigen Klärung zugeführt worden ist. Der Betreiber der Suchmaschine sei verpflichtet, einem Auslistungsantrag stattzugeben, wenn die eine Auslistung begehrende Person relevante und hinreichende Nachweise vorlege, die ihren Antrag zu stützen vermögen und belegen, dass die in dem aufgelisteten Inhalt enthaltenen Informationen offensichtlich unrichtig seien oder zumindest ein für diesen gesamten Inhalt nicht unbedeutender Teil dieser Informationen offensichtlich unrichtig sei. Hinsichtlich der Vorschaubilder sei dem Informationswert dieser Fotos – unabhängig vom Kontext ihrer Veröffentlichung auf der Internetseite, der sie entnommen sind, aber unter Berücksichtigung jedes Textelements, das mit der Anzeige dieser Fotos in den Suchergebnissen unmittelbar einhergeht und Aufschluss über den Informationswert dieser Fotos geben kann – Rechnung zu tragen.

Der BGH gab der Revision der Kläger vor diesem Hintergrund teilweise Folge. Bezüglich der beanstandeten Verweise auf die genannten Artikel hat der BGH die klagabweisenden Entscheidungen der Vorinstanzen jedoch bestätigt. Bei einem Artikel fehlte es bereits an dem notwendigen Bezug zu der Person des Klägers. Hinsichtlich der beiden anderen Artikel haben es die Kläger versäumt, gegenüber der Beklagten den ihnen obliegenden Nachweis zu führen, dass die dort enthaltenen Informationen offensichtlich unrichtig sind.

Bezüglich der Vorschaubilder hatte die Revision der Kläger hingegen Erfolg und der BGH hat die Beklagte zur Auslistung der Vorschaubilder in der beanstandeten Form verpflichtet. Eine Anzeige der für sich genommen nicht aussagekräftigen Fotos der Kläger als Vorschaubilder ohne jeden Kontext war nicht gerechtfertigt.

 

 

Link zum Entscheidungstext

Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 23.5.2023

 

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