OGH-Entscheidung vom 21.1.2025, 4 Ob 142/24x

 

Sachverhalt:

Ein Sportverein wurde von einem Pay-TV-Anbieter verklagt, weil in dessen Vereinskantine ein Fußballspiel der deutschen Bundesliga ohne Lizenz gezeigt wurde. Ein Vereinsmitglied hatte spontan seinen privaten Laptop mit dem vereinseigenen Fernseher verbunden, um nach einem Meisterschaftsspiel zusammen mit anderen Mitgliedern und deren Familien (ca. 10-15 Personen) ein laufendes Bundesligaspiel anzuschauen. Der Fernseher war eigentlich nur für Vereinszwecke wie Trainingsbesprechungen vorgesehen. Ein Kontrolleur des Pay-TV-Anbieters, der sich als Talentscout ausgab, konnte ungehindert das Vereinslokal betreten und die Übertragung beobachten.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht verneinte eine öffentliche Wiedergabe iSd § 18 Abs 3 UrhG und wies den Sicherungsantrag ab. Das Rekursgericht bejahte zwar eine öffentliche Wiedergabe, verneinte jedoch eine Haftung des beklagten Vereins mangels eigener Sorgfaltswidrigkeiten und/oder einer Zurechnung von Handlungen seiner Mitglieder und bestätigte den abweisenden Beschluss des Erstgerichts.

Der OGH befand den Revisionsrekurs der Klägerin zur Klarstellung der Rechtslage zwar für zulässig, jedoch nicht berechtigt. Ob der festgestellte Vorfall als „öffentliche Wiedergabe“ iSd §§ 18 ff UrhG, Art 3 Info-RL verstanden werden kann, könne dahinstehen, weil dem Rekursgericht im Ergebnis beizupflichten sei, dass der Beklagte für eine Rechtsverletzung nicht haften würde.

Der OGH verneinte ebenfalls eine Haftung des Vereins. Dabei prüfte er verschiedene mögliche Haftungsgrundlagen:

Eine Haftung als unmittelbarer Täter oder Mittäter schied aus, da kein Organ des Vereins an der Übertragung beteiligt war.

Eine Gehilfenhaftung wurde verneint, da der Verein keine Prüfpflicht verletzt hatte. Ein Vereinsvorstand müsse nicht damit rechnen, dass ein Mitglied eigenmächtig urheberrechtlich geschützte Inhalte über den Vereinsfernseher zeigt.

Auch eine Haftung als Unternehmensinhaber nach § 81 UrhG lehnte der OGH ab. Die Begriffe „Unternehmer“, „Bediensteter“ und „Beauftragter“ sind nach ständiger Rechtsprechung zwar weit zu verstehen (siehe etwa HIER im BLOG). Das Vereinsmitglied sei aber kein „Beauftragter“ des Vereins gewesen, sondern habe die Übertragung im Rahmen eines privaten „Freundschaftsdienstes“ organisiert.

Nach ständiger Rechtsprechung haftet eine juristische Person etwa für ehrenbeleidigende oder kreditschädigende Äußerungen ihrer Repräsentanten nach § 1330 ABGB (siehe etwa HIER in BLOG). Eine Repräsentantenhaftung über den Platzwart, der die Übertragung bemerkte, aber nicht einschritt, scheiterte daran, dass dieser keine leitende Stellung mit eigenverantwortlicher Entscheidungsbefugnis innehatte.

Schließlich verneinte der OGH auch eine Haftung als „mittelbarer Störer“, da die Handlung nicht im Interesse des Vereins erfolgte.

Im Ergebnis verneinte der OGH daher ein Einstehenmüssen des beklagten Vereins für die (allfällige) Rechtsverletzung. Die Entscheidung stellt klar, dass Vereine nicht automatisch für urheberrechtliche Verstöße ihrer Mitglieder haften, wenn diese eigenmächtig und privat handeln.

 

 

Link zur Entscheidung

 

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