OGH-Entscheidung vom 31.1.2023, 4 Ob 135/22i

 

Sachverhalt:

Der klagende Verein vertritt österreichische Berufsfotografen, so auch den Fotografen, der die klagsgegenständlichen Fotos anfertigte. Diese Fotos zeigen den damals amtierenden Bundeskanzler und den ehemaligen Vizekanzler im Parlament, wie sie gerade auf ihre Mobiltelefone blicken und darauf tippen.

Die beklagte Partei ist ein Parlamentsklub. Deren Fraktionsführer im Ibiza-Untersuchungsausschuss und ein weiterer Abgeordneter derselben Fraktion präsentierten im Juni 2020 in einem „Presspoint“ die beiden vom Fotografen aufgenommenen Lichtbilder als Schaubild. Hintergrund war der im Untersuchungsausschuss thematisierte Wechsel von SMS-Nachrichten und ob sich diese unter den Akten im Ibiza-Untersuchungsausschuss befanden.

Der Fotograf hatte dem Beklagten an den Lichtbildern keinerlei Rechte eingeräumt. An der beschriebenen Verwendung störte den Fotografen, dass die Lichtbilder ohne seine Einwilligung verwendet wurden, er dieser Verwendung nicht zugestimmt hätte und zudem eine falsche Urheberbezeichnung angebracht war.

Der klagende Verein begehrte neben der Unterlassung und Urteilsveröffentlichung auch die Zahlung von angemessenem Entgelt, Schadenersatz sowie immateriellem Ersatz.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht gab dem Zahlungsbegehren im Umfang von EUR 2.000  an immateriellem Schadenersatz sowie dem Unterlassungs- und Veröffentlichungsbegehren statt. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.

Der Beklagte macht in seiner Revision geltend, Fraktionsführer seien nicht als Machthaber des Parlamentsklubs zu qualifizieren. Somit fehle es an der Passivlegitimation des Beklagten. Überdies liege eine freie Werknutzung iSv § 41 UrhG vor, zumal die Lichtbilder im Rahmen des Ibiza-Untersuchungsausschusses zur Erreichung des Verfahrenszwecks verwendet worden seien. Auch schlage eine Abwägung des Grundrechts auf Meinungs- und Äußerungsfreiheit gegenüber den individuellen Rechten des Urhebers zu Gunsten des Beklagten aus.

Der OGH befand die Revision für zulässig, aber nicht berechtigt. Zunächst bejahte der OGH die Passivlegitimation des Beklagten. Juristische Personen haften im deliktischen Bereich für das schädigende Verhalten ihrer verfassungsmäßigen Organe und aller anderen Personen, die in verantwortlicher, leitender oder überwachender Funktion für sie tätig sind. Eine rechtsfähige politische Partei haftet nach den Grundsätzen der sogenannten „Repräsentantenhaftung“. Der Fraktionsführer war als Repräsentant des beklagten Parlamentsklubs zu qualifizieren.

Zum behaupteten Recht auf freie Werknutzung verwies der OGH zunächst auf § 41 UrhG, wonach das Urheberrecht der Benutzung eines Werks zu Zwecken der öffentlichen Sicherheit oder zur Sicherstellung des ordnungsgemäßen Ablaufs von Verwaltungsverfahren, parlamentarischen Verfahren oder Gerichtsverfahren nicht entgegensteht. Im vorliegenden hatten die Vorinstanzen bereits verneint, dass die Presseveröffentlichung unter die „Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Verfahrensablaufs“ oder gar unter die „öffentliche Sicherheit“ zu subsumieren ist. Parlamentarische Untersuchungsausschüsse zählen zu den „parlamentarischen Verfahren“ iSd § 41 UrhG. Zweck eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses ist die Ausübung der Kontrollrechte der Volksvertretung. Gemäß § 6 Abs 1 der Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse (VO-UA) vertritt der Vorsitzende den Untersuchungsausschuss nach außen und informiert die Öffentlichkeit regelmäßig über die Tätigkeit des Untersuchungsausschusses. Nicht umfasst ist die Abhaltung eines Presspoints (Pressekonferenz bzw Pressetermin) durch Fraktionsvorsitzende als parteipolitische Präsentation. Die Veröffentlichung der beiden Lichtbilder des Fotografen im Rahmen des Presspoints vor dem Untersuchungsausschuss diente parteipolitischen Zwecken und war daher nicht durch die freie Werknutzung nach § 41 UrhG gedeckt.

Auch die Abwägung des Urheberrechtsanspruchs gegen das Grundrecht auf Meinungs- und Äußerungsfreiheit gemäß Art 13 StGG und Art 10 EMRK fiel zugunsten des Klägers aus. Denn die Verletzung der Urheberrechte muss der einzige Weg sein, um das Grundrecht ausüben zu können. Könnte die Einwilligung des Urhebers gegen Zahlung eines (angemessenen) Entgelts erreicht werden, so ist eine Berufung auf das Grundrecht der freien Meinungsäußerung von vornherein ausgeschlossen.

Der Klagsanspruch bestand daher in dem von den Vorinstanzen zugesprochenen Umfang zu Recht.

 

 

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