OGH-Entscheidung vom 26.1.2021, 4 Ob 3/21a

 

Sachverhalt:

Die Klägerin ist Abgeordnete zum Nationalrat und Klubobfrau des Grünen Klubs im Parlament. Ein Fotograf stellte im November 2017 ein Foto von der Klägerin her und übertrug ihr in der Folge die alleinigen Werknutzungsrechte daran. Das Foto zeigte die Klägerin auf einem Sessel sitzend, in einer Hand ein Glas Sekt haltend, mit der anderen Hand den Mittelfinger zeigend.

Die Beklagte ist die politische Partei FPÖ, die Medieninhaberin der gleichnamigen Facebook-ist. Im April 2020 veröffentlichte sie dort – ohne Zustimmung der Klägerin – folgendes Posting:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Klägerin beantragte die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit der der Beklagten verboten werden solle, das erwähnte Foto der Klägerin zustimmungslos zu vervielfältigen und/oder zur Verfügung zu stellen, insbesondere wenn das Lichtbildwerk eigenmächtig beschnitten und/oder auf sonstige eigenmächtige Weise bearbeitet wurde.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht erlies die beantragte einstweilige Verfügung. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Der OGH wies den dagegen erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs der Beklagten zurück.

Der OGH begründete seine Entscheidung damit, dass für die Zulässigkeit der Veröffentlichung eines Lichtbildes als Bildzitat (§ 42f UrhG) Voraussetzung sei, dass das in den Berichten jeweils wiedergegebene Bild Zitat- und Belegfunktion hat und nicht nur dazu dient, die Berichterstattung zu illustrieren, um so die Aufmerksamkeit der Leser auf den Bericht zu lenken. Ein nach § 42f UrhG zulässiges Bildzitat muss erkennbar der Auseinandersetzung mit dem übernommenen Werk dienen, etwa als Beleg oder Hilfsmittel der eigenen Darstellung. Es muss eine innere Verbindung zwischen dem eigenen und dem fremden Werk hergestellt werden.

Auch nach der Rechtsprechung des EuGH muss die Nutzung des zitierten Werks gegenüber den Aussagen des Nutzers akzessorischer Natur sein und das Zitat eines geschützten Werks darf nicht so umfangreich sein, dass es die normale Verwertung des Werks beeinträchtigt oder die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers ungebührlich verletzt werden (siehe zugehörige EuGH-Entscheidung HIER im Blog). Im Rahmen dieser Prüfung ist auch zu berücksichtigen, ob die Verneinung der freien Werknutzung einem dringenden sozialen Bedürfnis im Sinne der Judikatur des EGMR zur Notwendigkeit eines Eingriffs in die Meinungsäußerungsfreiheit in einer demokratischen Gesellschaft dient (siehe zugehörige OGH-Entscheidung HIER im Blog). Erforderlich ist eine Abwägung der vom Urheber oder seinem Werknutzungsberechtigten verfolgten Interessen mit dem Recht der freien Meinungsäußerung (siehe zugehörige OGH-Entscheidung HIER im Blog). Eine ungebührliche Beeinträchtigung der Interessen des Urhebers kann sich auch durch eine Entstellung des Werks ergeben (siehe zugehörige OGH-Entscheidung HIER im Blog).

Im vorliegenden Fall zeigt das von der Beklagten verwendete Lichtbild die Klägerin mit ausgestrecktem Mittelfinger. Es wurde als Reaktion und „Antwort“ auf Hassnachrichten aufgenommen. Dem entgegen verwendete es die Beklagte in einer Collage, welche durch das Umfeld der Nutzung zu einer ungebührlichen Beeinträchtigung der Interessen der Klägerin führte. Die Frage, ob eine Parodie vorliegt, war für den OGH nicht entscheidungserheblich; denn auch bei einer Parodie darf der mitgeteilte Tatsachenkern nicht unwahr oder ehrenrührig sein.