OGH-Entscheidung vom 17.12.2013, 4 Ob 184/13g

Sachverhalt:

Die Klägerin strahlt Fernsehsehsendungen aus, deren Nutzung sie nur gegen Entgelt gestattet. Die Signale sind verschlüsselt, Kunden erhalten von der Klägerin eine technische Vorrichtung zur Entschlüsselung. Dabei bietet die Klägerin verschiedene Verträge an, und zwar einerseits für Privathaushalte und andererseits für öffentliche Vorführungen, etwa in Gastlokalen.

Die „Klägerin bzw ihre Muttergesellschaft“ verfügt über die „Nutzungs- und Verwertungsrechte der österreichischen Bundesliga, des deutschen Fußballbundes und der englischen Premier League“. Diese Lizenzen umfassen die „öffentliche Wiedergabe von Fußballspielen in Gaststätten, Lokalen, Wettbüros, etc.“ Die Klägerin erbringt „im Rahmen ihrer Live-Sportübertragungen Leistungen im Bereich des Schnittes, Bildwiederholungen etc.“ Bei den Übertragungen blendet sie durchgehend ihr „Logo“ ein.

Die Beklagte betreibt Wettbüros, unter anderem an vier Standorten in Vorarlberg. Für diese Standorte hatte sie keine Verträge mit der Klägerin. Dennoch zeigte sie dort von der Klägerin ausgestrahlte Übertragungen von Fußballspielen der österreichischen und deutschen Bundesliga und der englischen Premier League.

In ihrer Klage beantragte die Klägerin, es der Beklagten zu untersagen, ohne berechtigende Vereinbarung Rundfunkprogramme der Klägerin öffentlich vorzuführen, und /oder die Bezeichnung „S**“ im Zusammenhang mit S** Rundfunkprogrammen in jedweder Form zu verwenden. Die Beklagte habe für die Nutzung außerdem ein angemessenes Entgelt und Schadenersatz zu zahlen.

Die Klägerin stützte sich in ihrer Klage auf die Bestimmungen des Urheberrechts, des Markenrechts und des UWG.

Entscheidung:

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Das Berufungsgericht bestätigte Entscheidung zumindest im Umfang des Unterlassungs- und Zahlungsbegehrens.

Der OGH erklärte die Revision teilweise für zulässig und führte  zusammengefasst aus:

Übertragungen von Sportereignissen können Filmwerke sein, deren öffentliche Wiedergabe ohne Zustimmung der Berechtigten nach § 18 UrhG unzulässig ist. Urheberrechtlich geschützt sind nach § 1 UrhG unter anderem „Werke der Filmkunst“. Darunter sind nach § 4 UrhG „Laufbildwerke“ zu verstehen, durch welche „die den Gegenstand des Werks bildenden Vorgänge bloß für das Gesicht oder gleichzeitig für Gesicht und Gehör [dh ohne oder mit Ton] zur Darstellung gebracht werden, ohne Rücksicht auf die Art des bei der Herstellung oder Aufführung des Werkes verwendeten Verfahrens.“  Die Definition des § 4 UrhG bezieht sich auf die Darstellung von „Vorgängen“. Damit sind Filmwerke nicht auf die Darstellung dramatischer Stoffe beschränkt. Auch ein Sportereignis ist ein solcher Vorgang. Die Aufzeichnung oder Liveübertragung eines solchen Ereignisses ist daher nicht von vornherein vom Begriff des Filmwerks ausgeschlossen.

Für die hier strittigen Übertragungen von Sportereignissen folgt daraus, dass deren konkrete Gestaltung sehr wohl Werkcharakter haben kann. Entscheidend dafür ist, dass die Kameraführung, die Bildregie (einschließlich Wiederholungen, Einblenden von Grafiken und andere Gestaltungsmittel) und gegebenenfalls auch der Kommentar eine individuelle Zuordnung zum (jeweiligen) Schöpfer (Kameramann, Regisseur, Kommentator) erlauben. Das kann bei der Übertragung von Fußballspielen, zumal im Bezahlfernsehen, durchaus zutreffen.

Die Übertragung durch Rundfunk gesendeter Werke über einen Fernsehbildschirm und Lautsprecher für die Besucher eines Gastlokals ist eine öffentliche Wiedergabe iSv Art 3 Abs 1 InfoRL; dies entspricht der ständigen Rsp des OGH zu § 18 UrhG. Sind daher die strittigen Sendungen als Filmwerke zu qualifizieren, besteht am Eingriff in daran bestehende Rechte kein Zweifel.

Dennoch erachtete der OGH die Sache noch nicht für spruchreif, hob die Vorentscheidungen auf und verwies das Verfahren ans Erstgericht zurück. Denn das Erstgericht traf keine Feststellungen zur konkreten Gestaltung der hier strittigen Fußballübertragungen. Daher konnte der OGH nicht beurteilen, ob die Übertragungen bei einer Gesamtbetrachtung Werke im Sinn des Urheberrechts sind oder nicht.

Sollte der Werkcharakter bejaht werden, stellt sich die weitere Frage, wer Inhaber der Verwertungsrechte ist. Dafür ist zu klären, bei wem das Urheberrecht entstanden ist („erste Inhaberschaft“) und woraus sich gegebenenfalls eine vom Urheber abgeleitete Rechtsstellung der Klägerin ergibt. Nach § 38 Abs 1 UrhG stehen die Verwertungsrechte an gewerbsmäßig hergestellten Filmwerken „dem Inhaber des Unternehmens (Filmhersteller) zu“ bzw. begründet § 38 Abs 1 UrhG bei unionsrechtskonformer Auslegung (nur) die Vermutung, dass die Verwertungsrechte an gewerbsmäßig hergestellten Filmwerken dem Filmhersteller zustehen. Diese Vermutung kann durch den Beweis einer davon abweichenden Vereinbarung widerlegt werden.

Ist der Werkcharakter zu bejahen, so wird die Klägerin auf dieser Grundlage ein konkretes Vorbringen zu erstatten haben, wer als Hersteller der Übertragung anzusehen ist. Ist sie es nicht selbst, wird sie ebenso konkret darzulegen haben, auf welche Weise sie ein – zur Klage berechtigendes – Werknutzungsrecht vom Produzenten ableitet. Ein Werknutzungsrecht ihrer deutschen Muttergesellschaft kann dabei die Aktivlegitimation der Klägerin natürlich nicht begründen.