OGH-Entscheidung vom 25.1.2022, 4 Ob 219/21s

 

Sachverhalt:

Die klagende Partei ist ein Pay-TV-Anbieter und bietet auch Live-Übertragungen von Fußballspielen an. Für das Lizenzgebiet Österreich hat die klagende Partei hinsichtlich der Spiele der UEFA-Champions-League das exklusive Recht der Übertragung und Aufführung in öffentlich zugänglichen Lokalen (Bars, Restaurants, etc) erworben.

Die beklagte Partei betreibt ein Gasthaus, das nahezu ausschließlich von Personen aus dem ehemaligen Jugoslawien besucht wird. In ihrem Gasthaus zeigte sie eine Übertragung eines in das Exklusivrecht der Klägerin fallendes Fußballspiel, ohne hierfür über eine Bewilligung der Klägerin zu verfügen. Die Übertragung erfolgte in einer „Balkansprache“ (bosnisch, serbisch, kroatisch) mit identem Bildmaterial eines Drittanbieters, dessen Kunden die Beklagten sind. Dieser Drittanbieter schloss mit der UEFA einen Vertrag ab, wonach er berechtigt ist, die Spiele der UEFA-Champions-League in Bosnien-Herzegowina auszustrahlen.

Die Klägerin klagte auf Zahlung, Unterlassung und Urteilsveröffentlichung.

Die Beklagten wandten ein, dass sie aufgrund ihres Vertragsverhältnisses mit dem Drittanbieter berechtigt gewesen seien, das Spiel zu empfangen und auszustrahlen.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht wies die Klage ab. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Der OGH ließ die Revision der Klägerin zu und gab dem Rechtsmittel auch Folge.

In Anschluss an die bisherige Rechtsprechung (wie etwa hier und hier nachzulesen) qualifizierten die Vorinstanzen die streitgegenständliche Übertragung eines Sportereignisses zutreffend als Werk iSd § 4 UrhG. Durch die Übertragung der Spiele verletzte die Beklagte das ausschließliche Werknutzungsrecht der Klägerin. Auch der Umstand, dass die Beklagte ein Fußballspiel mit einem fremdsprachigen Kommentator zeigte, ändert nichts am Eingriff in die Exklusivrechte der Klägerin.

Der Unterlassungsanspruch scheitert auch nicht an der fehlenden Wiederholungsgefahr. Eine solche Gefahr schon bei einem einmaligen Gesetzesverstoß anzunehmen und nur dann als ausgeschlossen anzusehen, wenn der Verletzte durch ein exekutionsfähiges Anerkenntnis geschützt oder sonst vom Beklagten die Unmöglichkeit einer neuerlichen Verletzung bewiesen wird. Allein aufgrund des Umstands, dass nicht gesichert feststeht, ob der Klägerin auch für die Spielzeit 2021/22 der UEFA-Champions-League exklusive Rechte zukommen werden, entfällt die Wiederholungsgefahr nicht.

Die Vorinstanzen haben die Ansprüche wegen Verstößen gegen Art 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) und Art 101 AEUV (Wettbewerbsverbot) verneint. Dazu führte der OGH aus, dass die Erteilung von territorialen Exklusivlizenzen im Urheberrecht zulässig ist. Einem Rundfunkunternehmer ist es daher grundsätzlich nicht verboten, Verträge über den Erwerb von exklusiven territorialen Lizenzen abzuschließen. Die Beschränkungen dürfen nur keine absolute gebietsabhängige Exklusivität vorsehen, wenn damit jeglicher Wettbewerb zwischen verschiedenen Rundfunkunternehmern ausgeschaltet und nationale Märkte abgeschottet werden. Eine Verletzung des unionsrechtlichen Primärrechts hängt entscheidend vom Inhalt der entsprechenden Lizenzvereinbarungen ab. Im vorliegenden Fall wurde von der Beklagten weder behauptet noch bewiesen, dass dem Drittanbieter in Österreich die Erbringung einer Dienstleistung verweigert wurde, die er in einem anderen Mitgliedstaat erbringen darf. Den geltend gemachten Ansprüchen können damit keine unionsrechtlichen Einwände entgegengehalten werden.

Die Entscheidung wurde daher vom OGH dahingehend abgeändert, dass dem Unterlassungsanspruch stattgegeben wurde. Der Klägerin ist wegen des Eingriffs in ihre exklusiven Werknutzungsrechte auch grundsätzlich berechtigt, ein angemessenes Entgelt nach § 86 Abs 1 Z 1 UrhG zu fordern. Die dem in seinem ausschließlichen Recht Verletzten nach § 86 Abs 1 UrhG herauszugebende Bereicherung besteht nach ständiger Rechtsprechung in dem angemessenen Entgelt, das der Benutzer des Werks für die Gestattung der Werknutzung hätte bezahlen müssen. Es ist damit von jenem Entgelt auszugehen, dass für die Erteilung im Voraus eingeholter Werknutzungsbewilligungen üblicherweise verlangt und gezahlt wird.

 

 

 

Link zur OGH-Entscheidung

 

 

Weitere Blog-Beiträge:

TV-Übertragung eines Sportereignisses kann ein Werk der Filmkunst sein

Gastronomiebetrieb ohne Sky-Lizenz zeigt exklusive Fußballspiele auf ausländischem TV-Sender: Urheberrechtsverletzung?

Mobilfunknetzbetreiber bietet TV-Programm via Live-Stream, App und Online-Videorekorder an: Urheberrechtsverletzung

Ergänzende Vertragsauslegung im Urheberrecht: Übertragung von Werknutzungsrecht infolge widerspruchsloser Duldung

Schlüssige Einräumung von Werknutzungsrechten und Verzicht auf Urheberbezeichnung

„Stinkefinger-Foto“: FPÖ verletzt Werknutzungsrecht von Sigrid Maurer. Kein Bildzitat mangels Auseinandersetzung mit übernommenem Foto.

Eigenwerbung einer Tageszeitung: Zustimmungslose Verwendung von Bildern prominenter Sportler ist unlauter