OGH-Entscheidung vom 28.2.2023, 4 Ob 244/22v

 

Sachverhalt:

Die Klägerin stellt sogenannte „Gemeindekalender“ her. Dabei handelt es sich um Wandkalender, die die Klägerin auf eigene Kosten produziert und Dritten zur kostenlosen Verteilung in einer Gemeinde als Werbegeschenk zur Verfügung stellt. Ihre Einnahmen generiert die Klägerin durch die Inserate lokaler Unternehmer in den Kalendern.

Die Ortsgruppe einer politischen Partei zahlte der Klägerin für die Kalender (nur) eine Lieferpauschale und verteilte die Kalender gratis an Haushalte im Ort. Ab 2021 ließ diese Ortspartei Gemeindekalender ähnliche Kalender von einem anderen Unternehmen drucken und finanzierte die Druckkosten ebenfalls über Inserate, teils derselben Unternehmen.

Die Klägerin begehrte Unterlassung, Beseitigung, Rechnungslegung und Urteilsveröffentlichung, wobei sie ihre Ansprüche auf UWG und UrhG stützte.

 

Entscheidung:

Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Der OGH wies die außerordentliche Revision der Klägerin als unzulässig zurück.

Ansprüche nach dem UWG wurden vom OGH verneint: Bietet ein Mitbewerber seine Leistungen abgaben- oder steuerfrei und damit besonders günstig an, ohne dass er sich dafür auf eine vertretbare Auslegung von rechtlichen Vorschriften berufen kann, läge darin nicht nur ein Verstoß gegen eine nicht dem Lauterkeitsrecht im engeren Sinn zuzuordnende generelle Norm, sondern zugleich auch gegen § 1 UWG (Fallgruppe unlauterer Rechtsbruch). Aus den Feststellungen der Vorinstanzen ergab sich jedoch kein Hinweis darauf, dass der Beklagte Inserate „verkauft“, geschweige denn, dass er dabei Steuern oder Abgaben außer Acht gelassen hätte. Auch eine sklavische Nachahmung und Herkunftstäuschung im Sinne des UWG lag nach Ansicht des OGH nicht vor. Das UWG diene nicht dazu, dem ersten Anbieter „Gebietsschutz“ vor später in den Markt eintretender Konkurrenz zu bieten. Nicht Wettbewerb an sich, sondern nur unlauterer Wettbewerb soll hintangehalten werden. Eine Herkunftstäuschung lag nicht vor.

Ansprüche auf Grundlage des Urheberrechts wurden ebenfalls verneint: Das Urheberrecht schützt nur individuell eigenartige Leistungen, die sich vom Alltäglichen, Landläufigen, üblicherweise Hervorgebrachten abheben. Die Schöpfung muss zu einem individuellen und originellen Ergebnis geführt haben. Beim Werkschaffenden müssen persönliche Züge – insbesondere durch die visuelle Gestaltung und durch die gedankliche Bearbeitung – zur Geltung kommen. Dem Allerweltserzeugnis, der rein handwerklichen Leistung, die jedermann mit durchschnittlichen Fähigkeiten ebenso zustande bringen würde, fehlt die erforderliche Individualität.

Im vorliegenden Fall hatten die visuell dominanten Elemente der Kalender (Gemeindewappen und Lichtbilder auf dem Titelblatt, Lichtbilder für die einzelnen Monatsseiten, Logos und Texte für Inserate) immer die Ortspartei bzw die Inserenten zur Verfügung gestellt. Der gestalterische Beitrag der Klägerin bestand also im Wesentlichen in der Anordnung dieser Elemente in einem Layout, das durch die bereits festgelegte Funktion als Wandkalender eingeengt war.

Der Kalender des Beklagten unterschied sich nicht nur durch die Verwendung völlig neuer Lichtbilder und zahlreicher neuer Inserate, sondern auch durch Abwandlung einer Vielzahl der von der Klägerin getroffenen Layout-Entscheidungen (Schriftart, Farbgebung, Textreduktion, etc). Die Parallelen beschränkten sich somit auf das gestalterisch unauffällige Format des Kalenders (Längshälfte A3), das für einen Wandkalender durchaus übliche Schema einer Kombination von Inseraten, Foto und Monatsübersichten auf jeder Seite, und die Verwendung von ähnlichen Piktogrammen (farbige Mistkübel für die Termine der Müllabfuhr). Diese Elemente konnten für sich genommen keinen urheberrechtlichen Schutz begründen. Eine Urheberrechtsverletzung lag daher nicht vor. Auch bloße Ideen oder Anregungen begründen keinen Anspruch aus einem Miturheberrecht.

 

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