OGH-Entscheidung vom 31.1.2023, 4 Ob 139/22b

 

Sachverhalt:

Die Klägerin betreibt ein Illustrations- und Animationsstudio. Die Beklagte betreibt ein Schokolademuseum samt Shop.

Der Geschäftsführer der Beklagten kaufte im Herbst 2016 nicht-exklusive Nutzungsrechte samt Bearbeitungsrechte unter anderem an folgenden Illustrationen einer Kakaobohne und einer Schokoladetafel, um sie als Maskottchen namens „Choco und Coco“ zu verwenden:

Der Geschäftsführer der Klägerin erhielt den Auftrag eines Entwurfs von animierbaren Figuren zwecks Herstellung eines Animationsvideos. Er fertigte die folgenden Illustrationen an:

In der Folge ging der Geschäftsführer der Klägerin davon aus, dass aus dem Projekt nichts geworden sei und verzichtete auf das vereinbarte Honorar.

Die Beklagte nutzt jedoch die Illustrationen jedoch als Vorlage für ein 3D-Maskottchen, Plüschfiguren, Verpackungen von Schokoladeprodukten der Beklagten, Werbeflächen, Fahnen und Schildern, Werbevideos im Internet, sowie auf den Facebook- und Instagram-Seiten der Beklagten sowie als Teil ihrer Webseite.

Die Klägerin begehrte vor Gericht ua die Unterlassung der weiteren Verwertung, Beseitigung, Rechnungslegung, Zahlung von angemessenem Entgelt sowie Urteilsveröffentlichung.

Die Beklagte wendete ein, die Klägerin sei nicht aktivlegitimiert; es stehe nicht fest, dass deren Geschäftsführer Urheber der Illustrationen sei und ihr Nutzungsrechte daran eingeräumt habe. Den Illustrationen fehle überdies die urheberrechtliche Werkqualität.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht wies die Klage wegen mangelnder Aktivlegitimation der Klägerin ab. Das Berufungsgericht gab der Klage mit Ausnahme eines Teils des Urteilsveröffentlichungsbegehrens mittels Teilurteils statt. Die außerordentliche Revision der Beklagten blieb ohne Erfolg.

Die Klägerin brachte bereits in ihrer Klage vor, dass der Geschäftsführer alle seine Rechte an der gegenständlichen Bearbeitung an die Klägerin abgetreten habe; dies werde immer so gehandhabt, weil das Anfertigen von Illustrationen für Dritte das Geschäft der Klägerin sei. Dies war aus Sicht des OGH ausreichend konkretes Vorbringen, um die Aktivlegitimation zu bejahen. Darüber hinaus haben beide Gesellschafter der Klägerin, also auch der Urheber bzw Geschäftsführer die Klagevertreter mit der Verfolgung der Urheberrechtsansprüche der Klägerin beauftragt. Es ist unerheblich, ob der Gesellschafter-Geschäftsführer für die Rechteeinräumung ein gesondertes Entgelt erhält (vgl diese Entscheidung).

Zur Frage, ob die vorgenommenen Bearbeitungen der gegenständlichen Illustrationen aufgrund ihrer individuellen Ausgestaltung urheberrechtlich geschützte Werke iSd § 5 Abs 1 UrhG seien, hielt der OGH fest, dass auch Werke der Gebrauchsgrafik urheberrechtlich geschützte Werke iSd § 1 Abs 1 UrhG sind. Rein handwerkliche, routinemäßige Leistungen seien aber auch bei Gebrauchsgrafiken nicht schutzfähig.

Im vorliegenden Fall war es Aufgabe der Klägerin (bzw. deren Geschäftsführer), die vorhandenen Figuren leichter animierbar zu machen. Dies wurde dadurch bewerkstelligt, dass er Figuren schuf, die wesentliche Unterschiede zu den Vorgaben aufweisen. Vor allem die Neugestaltung der Augenpartien machen die Figuren nun heiterer und fröhlicher. Der Gesamteindruck der Figuren weicht aufgrund dieser kreativen Gestaltungselemente, die über eine bloß mechanische Vereinfachung hinausgehen, nicht unmaßgeblich von jenem der Muster ab. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach damit etwas Neues, Individuelles und Originelles geschaffen wurde und damit eine gemäß §§ 1, 5 UrhG geschützte Bearbeitung vorliegt, wurde vom OGH nicht beanstandet.

 

Link zum Entscheidungstext

 

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