OGH-Entscheidung vom 20.2.2024, 4 Ob 124/23y

 

Sachverhalt:

Die Ärztekammer warb in mehreren Tageszeitungen und mittels eines TV-Spots ua mit folgenden Sujets:

 

Die Apothekerkammer sah darin irreführende Tatsachenmitteilungen und beantragte die Erlassung einer einstweiligen Verfügung. Die Sujets 1 und 2 vermittelten den Durchschnittsbetrachtern eine (unrichtige) Ausschließlichkeit in Bezug auf Gesundheitsdienstleistungen der Ärzte („und nirgendwo sonst“) und erweckten den irreführenden Eindruck, dass nur Ärzte kompetent seien, Gesundheitsfragen zu beantworten. Schließlich seien auch Apotheker geeignete und kompetente Ansprechpartner hinsichtlich der Herbeiführung und Erhaltung der Gesundheit. Sujet 3 erwecke den (unrichtigen) Eindruck, dass es besser sei, die Medikamente von dem Arzt/der Ärztin zu erhalten als in der Apotheke.

 

Entscheidung:

Das Rekursgericht die einstweilige Verfügung. Der OGH wies den Revisionsrekurs der Ärztekammer als unzulässig zurück.

Die Frage, wie angesprochene Kreise eine Werbeaussage verstehen und ob sie demnach zur Irreführung geeignet ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Lässt eine Ankündigung mehrere Deutungen zu, muss der Werbende die für ihn ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen. Gesundheitswerbung ist generell nach strengen Maßstäben zu beurteilen (siehe zB diese Entscheidung; im dortigen Fall klagte die Ärztekammer die Apothekerkammer).

Auch die Anwendung der Unklarheitenregel ist am Grundrecht auf Freiheit der Meinungsäußerung zu messen. Das Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung schließt es aus, eine entfernte, bloß mögliche Deutung der beanstandeten Formulierungen zur Ermittlung des für ihre rechtliche Beurteilung relevanten Tatsachenkerns heranzuziehen. Eine solche Verletzung der Freiheit auf Meinungsäußerung sah der OGH hier allerdings nicht. Von einer nur entfernt möglichen Deutung der hier beanstandeten Formulierungen ist das Rekursgericht nicht ausgegangen.

Die Rechtsprechung unterscheidet zwischen objektiv nachprüfbaren Tatsachenbehauptungen und Werturteilen als rein subjektive, unüberprüfbare. Das Rekursgericht qualifizierte die Aussagen, dass „nirgendwo sonst“ als bei den Ärzten die Gesundheit beginnt bzw die Medikamentenabgabe erfolgt, als objektiv nachprüfbare Tatsachenbehauptungen, zumal aufgrund der Ausschließlichkeitsbehauptung die Konsultation des Arztes bzw der Ärztin nicht bloß als wertvoll für die Gesundheit, sondern notwendig präsentiert wird. Der OGH bestätigte die Entscheidung.

 

Link zur Entscheidung

 

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