OGH-Entscheidung vom 28.3.2023, 4 Ob 15/23v

 

Sachverhalt:

Die Österreichische Apothekerkammer (Beklagte) betreibt auf ihrer Website Werbung für den Berufsstand der Apothekerschaft. Sie veröffentlichte dort, auf ihrem YouTube-Kanal sowie auf Fernsehsendern von ORF, Puls4 und ServusTV Werbe-Videospots mit folgendem Inhalt:

„Mein Name ist Helmut. Vor vielen Jahren hatte ich einen Herzinfarkt und einen Schlaganfall. Seither nehme ich sehr viele Medikamente. Dank meiner Apothekerin vertragen sich alle bestens, ich kann mein Leben jetzt wieder richtig genießen. Bei meiner Gesundheit gehe ich auf Nummer sicher.“

„Ich bin die Melanie und das ist die Lina. Wir haben wieder einmal die ganze Nacht durchgehustet. Und damit es heute besser wird, sind wir bei unserem Apotheker. Auf den können wir uns immer verlassen. Bei unserer Gesundheit gehen wir auf Nummer sicher.“

Die Ärztekammer für Oberösterreich klagte auf Unterlassung. Der Apothekerkammer solle untersagt werden, in ihrer Werbung den Eindruck zu erwecken, Apotheker wären zur Behandlung oder Verordnung rezeptpflichtiger Arzneimittel in Zusammenhang mit schweren Krankheiten und/oder zur Behandlung von Erkrankungen berechtigt.

 

Entscheidung:

Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren statt. Das Berufungsgericht vertrat zusammengefasst die Auffassung, die Werbung der Beklagten vermittle den irreführenden Gesamteindruck, die Rolle des Arztes bei der Behandlung zu reduzieren und die Aufgabe von Apothekern über eine Beratung hinaus auf Diagnose und Behandlung von schweren Krankheiten zu erstrecken.

Eine Geschäftspraktik gilt nach § 2 Abs 1 UWG als irreführend, wenn sie unrichtige Angaben enthält oder sonst geeignet ist, einen Marktteilnehmer in Bezug auf das Produkt über einen oder mehrere der in § 2 Abs 1 Z 1 bis 7 UWG genannten Punkte (Z 6: die Person, die Eigenschaften oder die Rechte des Unternehmers […] seine Befähigungen, sein Status, seine Zulassung […]) derart zu täuschen, dass dieser veranlasst wird, eine geschäftliche Entscheidung zu treffen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

Ist der Tatbestand des § 2 UWG erfüllt, so werden zumindest im Regelfall eine Verletzung der beruflichen Sorgfalt und eine wesentliche Beeinflussung eines Durchschnittsverbrauchers

Es kommt nicht auf die Erkennbarkeit der Unrichtigkeit der eigenen Aussage für den Werbenden an, sondern nur auf deren objektive Unrichtigkeit. Der Bedeutungsinhalt der Äußerungen richtet sich nach dem Gesamtzusammenhang und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck, den ein redlicher Mitteilungsempfänger gewinnt. Der Gesamteindruck einer Ankündigung ist aber nicht gleichbedeutend mit ihrem Gesamtinhalt, sondern dieser kann insbesondere durch (als „Blickfang“) besonders herausgestellte Teile geprägt werden. Lässt eine Ankündigung mehrere Deutungen zu, muss der Werbende nach ständiger Rechtsprechung die für ihn ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen. Gesundheitswerbung ist generell nach strengen Maßstäben zu beurteilen (vgl diese Entscheidung).

Der OGH hielt diese Entscheidung für vertretbar. Die Werbung der Beklagten hebe die Rolle und Aufgaben des Arztes nicht nur nicht hervor, sondern relativiere diese. Es fehle ein klarstellender Hinweis darauf, dass den Apotheken nur das Medikationsmanagement obliege. Patienten könnten ein tatsächliches (ärztliches) Behandlungserfordernis verkennen. Patienten könnte suggeriert werden, dass die in den Videos angesprochenen Probleme ohne ärztliche Diagnose und Behandlung primär durch einen Gang in die Apotheke gelöst würden.

 

 

Link zum Entscheidungstext

 

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