OGH-Entscheidung: OGH 17.4.2013, 4 Ob 44/13v

Sachverhalt:
Die beklagten Parteien vertrieben Buchweizenkeimlingspulver und bezeichneten dieses als „natürlich“ und/oder „natürliche Buchweizenkomplexe“. Dabei behaupteten die Beklagten: „Im Gegensatz zu einem synthetischen Vitamin-B-Komplex kann … die Qualität ihres Produkts nachweislich verbessern“.
Das beworbene Produkt wurde dadurch hergestellt, dass trockene Buchweizenkörner in eine Nährlösung gegeben wurden, welcher in hoher Konzentration rein synthetische B-Vitamine zugesetzt wurden, was letztlich dazu führte, dass im Produkt eine bis zu 1000-fach erhöhte Dosis bestimmter B-Vitamine enthalten war und durch Zusatz von Spurenelementen in die Nährlösung eine im Vergleich zu Buchweizensamen bis zu 200-fache Dosis an bestimmten Spurenelementen im Fertigprodukt erzielt wurden. Die Beklagten erweckten den (unzutreffenden) Eindruck, es handle sich um Buchweizenkomplexe, wie sie auch natürlich, also außerhalb des Labors in der Natur vorkämen.

Entscheidung:
Der Oberste Gerichtshof verwies in seiner Entscheidung auf seine frühere Rechtsprechung, dass Aussagen über die Natürlichkeit oder Umweltverträglichkeit eines Erzeugnisses in hohem Maße geeignet sind, den Kaufentschluss zu beeinflussen. Die Frage, ob eine Werbung mit Umweltschutzbegriffen zur Irreführung geeignet ist, ist daher ähnlich wie die Gesundheitswerbung nach strengen Maßstäben zu beurteilen. Lässt die Ankündigung mehrere Deutungen zu, muss der Werbende nach ständiger Rechtsprechung die für ihn ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen.

Es könne nicht von einem „naturbelassenen“ Produkt gesprochen werden, wenn das Produkt chemisch behandelt wurde, um es haltbar zu machen. Gleiches muss auch dann gelten, wenn zwar nicht das Endprodukt, aber ein Zusatzstoff chemisch behandelt wurde, um eine im unbehandelten Zustand nicht gegebene, für das Produkt aber notwendige oder jedenfalls gewünschte Eigenschaft zu erhalten. Der in der Werbung hervorgehobenen Gegensatz zu synthetischen Vitaminen ist als irreführend zu betrachten, wenn tatsächlich eine in der Natur nicht vorkommende weit überhöhte Konzentration an Vitaminen dadurch erreicht wird, dass synthetische Vitamine einer Nährlösung beigegeben werden, welche auf das Produkt einwirkt und dessen Vitamingehalt in die Höhe treibt. Auch für die in diesem Fall maßgeblichen Weiterverarbeiter liegt es nahe, die Beigabe von synthetischen Vitaminen oder auch Spurenelementen zu einem Produktionsprozess nicht zu vermuten, wenn ein Produkt als „natürlich“ beworben wird.

Diese Auffassung des Berufungsgerichts bildete keine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung. Die beanstandete Werbung mit „natürlich“, „natürliche Buchweizenkomplexe“ oder dem Gegensatz zu synthetischen Vitamin-B-Komplexen erweckt unzutreffende, im Hinblick auf das hohe Interesse an „natürlichen“ Produkten für die Kaufentscheidung relevante unrichtige Vorstellungen über den Herstellungsprozess, bei dem entgegen dem vermittelten Eindruck sehr wohl synthetische Vitamine zur Zielerreichung eingesetzt werden.