OGH-Entscheidung vom 22.11.2022, 4 Ob 33/22i

 

Sachverhalt:

Die klagende Stadt Wien verfügt über ca 1.800 Gemeindebauten mit rund 220.000 Wohnungen, die sie an einkommensschwächere, wohnungsbedürftige Personen vermietet. Eine Untervermietung ist untersagt. Die Beklagte betreibt eine weltweit abrufbare Online-Plattform, auf der „Gastgeber“ Unterkünfte an „Gäste“ vermieten. Die Standorte der Wohnungen sind auf dieser Plattform nur ungefähr angegeben, aber nicht deren genaue Adressen.

Ein Mieter der Klägerin bot seine Gemeindewohnung über die Plattform zur kurzzeitigen Weitervermietung an. Die Klägerin informierte daraufhin die Beklagte, dass Untervermietungen ihrer Gemeindewohnungen ausnahmslos verboten seien, und schloss eine Unterlassungserklärung bei. Einigungsversuche scheiterten. Danach kam es zu weiteren ähnlichen Vorfällen. Die Klägerin klagte daraufhin auf Unterlassung, Rechnungslegung, Feststellung der Zahlungsverpflichtung und Urteilsveröffentlichung.

Die Klägerin berief sich unter anderem auf das UWG und auf den Schutz schuldrechtlicher Beziehungen zwischen zwei Personen gegen Eingriffe Dritter. Zwischen den Streitteilen bestehe ein Ad-hoc-Wettbewerbsverhältnis.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht gab der Stufenklage mittels Teilurteils mit Ausnahme des Feststellungsbegehrens statt. Das Berufungsgericht bestätigte den Unterlassungsanspruch teilweise und wies die übrigen Begehren ab. Es verneinte die Aktivlegitimation der Klägerin für die lauterkeitsrechtlichen Ansprüche. Beide Parteien erhoben Revision gegen diese Entscheidung. Die beklagte Online-Plattform zog ihre Revision jedoch vorzeitig zurück und gab ein Anerkenntnis ab. Die verbleibende Revision der Klägerin befand der OGH für zulässig und teilweise auch berechtigt.

Zur Aktivlegitimation für lauterkeitsrechtliche Ansprüche führte der OGH aus, dass nach der Verkehrsauffassung zu beurteilen sei, ob ein Wettbewerbsverhältnis besteht. Für das Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnisses ist erforderlich, dass die angebotenen Waren- und Dienstleistungen solch verwandter Art sind, dass sie sich eignen, das gleiche Verkehrsbedürfnis zu befriedigen. Die Dienstleistungen müssen sich daher gegenseitig substituieren oder im Absatz behindern können. Der Annahme eines Wettbewerbsverhältnisses steht nicht entgegen, dass die Betätigungsgebiete zweier Unternehmen nicht zur Gänze zusammenfallen, die jeweiligen Angebote also nur teilkongruent sind. Ein Wettbewerbsverhältnis ist ferner dann anzunehmen, wenn sich die beteiligten Unternehmer an einen im Wesentlichen gleichartigen Abnehmerkreis wenden, also um denselben Kundenkreis bemühen. Ein Wettbewerbsverhältnis kann nach ständiger Rechtsprechung auch erst durch die beanstandete Handlung selbst begründet werden („Ad-hoc-Wettbewerbsverhältnis“). Dafür genügt es, dass sich der Verletzer in irgendeiner Weise zum Betroffenen in Wettbewerb stellt. Für die Aktivlegitimation nach § 14 UWG reicht aus, dass abstrakt eine Beeinträchtigung theoretisch möglich erscheint.

Im vorliegenden Fall ist von einem Überschneiden der Kundenkreise auszugehen. Die Website der Beklagten richtet sich nicht nur an die „Gäste“, sondern auch an die „Gastgeber“, somit unter anderem an die Mieter der Klägerin. Sowohl die „Gäste“ als auch die „Gastgeber“ schließen mit der Beklagten Verträge ab und sind daher ihre Kunden. Vertragsgegenstand sind die im Eigentum der Klägerin stehenden Wohnungen. Der mögliche Wettbewerb zwischen den Streitteilen ergibt sich schon daraus, dass die unzulässigen Untervermietungen durch Mitwirkung der Beklagten die Neuvermietungen von Wohnungen durch die Klägerin zu behindern geeignet sind. Denn Mieter der Klägerin könnten die Mietverhältnisse allenfalls nur zwecks Untervermietung aufrechterhalten, anstatt die Mietverträge mangels Eigenbedarfs aufzukündigen. Zusammenfassend bejahte der OGH daher das Vorliegen eines Ad-hoc-Wettbewerbsverhältnisses zwischen den Streitteilen.

Im Hinblick auf die inhaltlich auf das UWG gestützten Ansprüche, hielt der OGH fest, dass der Informationspflicht der Beklagten ausreichend Rechnung getragen wird, wenn die genauen Daten der Gastgeber anlässlich der Buchung bekannt gegeben werden. Davor sei die genaue Adresse der inserierten Unterkunft sowie der Name des Gastgebers für Besucher der Plattform nicht relevant. Ein Vorenthalten wesentlicher Informationen iSd § 2 Abs 4 Z 1 UWG liegt daher nicht vor. Auch einen Ausbeutungs- und Behinderungsmissbrauch iSv § 1 UWG und § 5 KartG verneinte der OGH. Die auf das UWG gestützten Ansprüche bestanden daher nicht zu Recht.

Die Klägerin stützte die Ansprüche auf Rechnungslegung und Zahlung allerdings nicht nur auf das UWG, sondern auch auf § 1041 ABGB. Die Beklagte habe unbefugt einen Vermögensvorteil daraus gezogen, dass sie die Inserate der Mieter in den beiden festgestellten Fällen nicht sofort nach Kenntnis der Rechtswidrigkeit gelöscht bzw die Nutzer gesperrt habe. Der Vermögensvorteil liege in der Servicegebühr, die von der Beklagten eingehoben werde. Dem Gläubiger eines Verwendungsanspruchs stehe gegen den Bereicherten analog § 1039 ABGB ein Rechnungslegungsanspruch zu. Der allgemeine Bereicherungsanspruch gemäß § 1041 ABGB richtet sich gegen denjenigen, der eine fremde Sache ohne Rechtsgrund zum eigenen Vorteil benützt. Eine derartige Verwendung des Eigentums der Klägerin an ihren Wohnungen zum Nutzen der Beklagten erachtete der OGH hier als gegeben. Der Revision der Klägerin wurde daher teilweise Folge gegeben. Der geltend gemachte Rechnungslegungsanspruch besteht zu Recht. Über das Zahlungsbegehren hat nun das Erstgericht zu entscheiden.

 

Link zum Entscheidungstext

 

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