OGH-Entscheidung vom 22.9.2015, 4 Ob 3/15t

Sachverhalt:

Die Beklagte verletzte durch die Herstellung eines Arzneimittels (Blutgerinnungskonzentrat) – unter Kombination des patentierten Verfahrens mit einem weiteren Verfahren – ein österreichisches Verfahrenspatent der Klägerin. Ein (offenbar großer) Teil der Produktion wurde in das Ausland verkauft, wobei im europäischen Ausland im strittigen Zeitraum nach dem Widerruf des korrespondierenden Europäischen Patents (anscheinend) kein Patentschutz mehr bestand. Im Revisionsverfahren war strittig, wie das von der Beklagten nach § 150 Abs 1 PatG zu leistende „angemessene Entgelt“ zu berechnen ist.

Entscheidung:

Erst- und Berufungsgericht verurteilten die Beklagte zur Zahlung eines bestimmten Betrags. Das Erstgericht ermittelte den „Gesamtnettoverkaufspreis“ durch Multiplikation der Zahl der produzierten Einheiten mit dem Nettoverkaufspreis pro Einheit. Das angemessene Lizenzentgelt sei mit 1 % dieses Nettoumsatzes zu bemessen. Den geringen Prozentsatz begründete das Erstgericht (a) mit dem Umstand, dass das patentierte Verfahren mit einem anderen kombiniert werden musste, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen, (b) mit der (theoretischen) Möglichkeit der Mutter der Beklagten, die Produktion in patentfreies Ausland zu verlegen, und (c) mit der möglichen Nichtigkeit des Patents. Dies hätte redliche Parteien dazu veranlasst, nur einen Satz von 1 % des „Nettoverkaufspreises“ vorzusehen.

Das Berufungsgericht führte aus, dass der Anspruch auf ein angemessenes Entgelt nach § 150 Abs 1 PatG ein aus § 1041 ABGB erwachsender Vergütungsanspruch für die ungerechtfertigte Verwendung eines Patents sei. Nach dem in der Rechtsprechung anerkannten Grundsatz der Lizenzanalogie sei der Rechteinhaber so zu stellen, als hätte er dem Verletzer die Nutzung des unbefugt verwendeten Rechts durch Vertrag eingeräumt und dafür ein marktgerechtes Entgelt vereinbart. Maßgebend sei daher, was redliche und vernünftige Parteien für die tatsächlich erfolgte Nutzung vereinbart hätten.

Die außerordentliche Revision der Beklagten wurde vom OGH zugelassen, weil Rechtsprechung zur Frage fehlt, wie das angemessene Entgelt für die patentverletzende Herstellung und Ausfuhr eines dann überwiegend im patentfreien Ausland vertriebenen Erzeugnisses zu bemessen ist. In seiner Begründung stimmte der OGH der Urteilsbegründung des Berufungsgerichts im Wesentlichen zu.

Immaterialgüterrechtliche Ansprüche auf das „angemessene Entgelt“ – neben § 150 Abs 1 PatentG 1970 etwa auch § 86 Abs 1 UrhG und § 53 Abs 1 MSchG – haben nach ständiger Rechtsprechung eine bereicherungsrechtliche Grundlage; in der Sache handelt es sich um einen Verwendungsanspruch nach § 1041 ABGB. Schuldner des Anspruchs ist daher derjenige, der durch den Eingriff in das Patent einen Nutzen gezogen hat.

Die Höhe der Vergütung entspricht dem Wert der Nutzung des Patents, also in der Regel einem angemessenen Lizenzentgelt. Der Rechteinhaber ist so zu stellen, als hätte er dem Verletzer die Nutzung des unbefugt verwendeten Rechts durch Vertrag eingeräumt und dafür ein Entgelt vereinbart; Richtschnur dafür hat zu sein, was redliche und vernünftige Parteien vereinbart hätten. Ob der Verletzer selbst mit Verlust oder Gewinn gearbeitet hat, ist irrelevant. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls. Ein Lizenzentgelt dient in der Regel der Abgeltung aller Nutzungsarten (Herstellung, Vertrieb, Gebrauch) und ist daher für jeden Eingriffsgegenstand nur einmal zu entrichten; mehrere Verletzer haften solidarisch.

Die Vorinstanzen haben daher zutreffend geprüft, welches Entgelt der Klägerin insgesamt für die Verletzung des österreichischen Patents gebührt. Diese Verletzung erfolgte durch die Herstellung des Arzneimittels, die teilweise Ausfuhr und das teilweise Inverkehrbringen im Inland. Diese Verletzungshandlungen sind bei der – nach § 273 ZPO vorzunehmenden Bemessung des angemessenen Entgelts zu berücksichtigen. Das Inverkehrbringen eines Teils der Erzeugnisse im Ausland kann demgegenüber wegen des immaterialgüterrechtlichen Territorialitätsgrundsatzes von vornherein nicht als Verletzung des österreichischen Patents angesehen werden. Auf dieser Grundlage ist zunächst nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanzen die gesamten durch Nutzung des Patents erzielten Erlöse der Mutter als Bemessungsgrundlage herangezogen haben. Redliche Parteien hätten sich auch bei Lizenzverhandlungen an diesen Erlösen orientiert, da sich das Interesse der Mutter an der Nutzung des Patents selbstverständlich darin widerspiegelte und nicht im konzernintern an die Beklagte gezahlten Herstellungsentgelt. Auch der Prozentsatz von 1% bedarf keiner Korrektur.

Vernünftige und redliche Parteien hätten bei Lizenzverhandlungen zweifellos berücksichtigt, dass Erlöse im Ausland erzielt werden. Allerdings haben die Vorinstanzen für die Bemessung des Entgelts ohnehin nur einen Prozentsatz von 1% herangezogen. Damit haben sie im Ergebnis auch ausreichend darauf Bedacht genommen, dass ein Teil dieser Erlöse zwar durch die Patentverletzung im Inland ermöglicht, aber erst durch das nicht mehr patentverletzende Feilhalten im Ausland verwirklicht wurde.

Die mögliche Nichtigkeit des Patents hat in diesem Zusammenhang keine Bedeutung: In diesem Fall hätten vernünftige Parteien keinen Grund gehabt, einen „Risikoabschlag“ vorzusehen; vielmehr hätten sie vereinbart, dass jede Seite das (von ihr kalkulierte) Risiko des Vorliegens oder Nichtvorliegens der Nichtigkeit zu tragen hätte: Würde das Patent für nichtig erklärt, zahlte der Nutzer nichts, sonst aber den marktüblichen Satz.

Schon die Herstellung hätte daher den Satz von 1 % gerechtfertigt.

Die Revision hatte demnach keinen Erfolg.