OGH-Entscheidung vom 24.6.2025, 4 Ob 132/24a
Sachverhalt:
Ein österreichischer Berufsfotografenverband klagte einen niederländischen Unternehmer wegen der unerlaubten Verwendung eines Lichtbilds auf dessen Website. Das Foto zeigte LED-Beleuchtung in einer Wiener Bar:
Das Foto wurde ohne Zustimmung des Fotografen auf einer niederländischen Website (über eine „.nl“-Domain) veröffentlicht. Die Website war zwar in Österreich abrufbar, aber ausschließlich in niederländischer Sprache gehalten. Der Beklagte hatte seit Unternehmensgründung 2006 keine Waren nach Österreich verkauft.
Der Kläger begehrte vor Gericht die Unterlassung sowie die Zahlung eines angemessenen Entgelts von EUR 1.567,50. Im vorliegenden Fall macht der Kläger einen Eingriff in die mit der UrhG-Nov 2003 neu geschaffene Bestimmung des § 18a UrhG geltend. Danach besitzt der Urheber bzw Hersteller das ausschließliche Recht, das Werk der Öffentlichkeit drahtgebunden oder drahtlos in einer Weise zur Verfügung zu stellen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist („Zurverfügungstellungsrecht“).
Entscheidung:
Erst- und Berufungsgericht wiesen die Klage mit Verweis auf das Fehlen eines wirtschaftlich relevanten Inlandsbezugs ab. Die bloße Abrufbarkeit der Website in Österreich reiche nicht aus. Ähnlich wie bei markenrechtlichen Verstößen im Internet müsse auch im Urheberrecht ein „commercial effect“ im Inland vorliegen.
Der OGH gab der Revision des Klägers teilweise statt und sprach aus, dass markenrechtliche Grundsätze nicht auf Urheberrechtsverletzungen im Internet übertragbar sind. Nach der Rechtsprechung des OGH verstößt gegen das Verwertungsrecht des § 18a UrhG, wer unbefugt Lichtbilder in einen Internetauftritt zum interaktiven Abruf eingliedert. Eine Urheberrechtsverletzung im Internet ist aufgrund des Territorialiätsgrundsatzes für alle Staaten, in denen die Website zugänglich ist, nach dem Recht des jeweiligen Staats zu beurteilen. Für die Frage der Anwendbarkeit des nationalen Urheberrechts war zu ermitteln, ob im konkreten Fall überhaupt eine Urheberrechtsverletzung vorliegt, wenn etwa eine Website in diesem Staat trotz Zugänglichkeit (zB aus sprachlichen Gründen) praktisch nicht aufgerufen wird. Dementsprechend entschied der deutsche BGH kürzlich, dass die Verletzung deutschen Urheberrechts durch ein Verhalten, das seinen Schwerpunkt außerhalb Deutschlands hat, voraussetze, dass das Verhalten einen hinreichenden Inlandsbezug aufweise. Die Vorinstanzen zogen zur Abgrenzung die vom OGH für Markensachen entwickelten Kriterien heran, wonach eine Markenrechtsverletzung nur vorliegt, wenn sich die Website mit dem eingreifenden Kennzeichen zumindest auch an inländische Nutzer richtet.
Der OGH hielt die Übertragung dieser markenrechtlichen Grundsätze auf Verletzungen des österreichischen Urheberrechtsgesetzes durch Handlungen im Internet nicht für sachgerecht. Er betonte in seiner Entscheidung die strukturellen Unterschiede zwischen Marken- und Urheberrecht. Während das Markenrecht auf die Nutzung im geschäftlichen Verkehr abstellt (§ 10 MSchG), kennt das Urheberrecht kein solches Erfordernis. Eine Urheberrechtsverletzung liege auch ohne wirtschaftliche Verwertbarkeit vor. Das Urheberrecht schützt zudem persönlichkeitsrechtliche Interessen des Urhebers.
Gegen das Erfordernis eines „commercial effects“ für Verletzungen des Urheberrechtsgesetzes spricht weiters, dass fremde Urheber- oder Leistungsschutzrechte anders als fremde Markenrechte nicht unbewusst verletzt werden können: Wer seine Waren oder Leistungen im Internet mit einer werbetauglichen Bezeichnung bewirbt, könnte nur durch weltweite Recherche herausfinden, ob und wo andere Personen eventuell bereits Markenrechte für dieses oder ähnliche Kennzeichen erworben haben. Wer hingegen seinen Internetauftritt mit Lichtbildern oder anderen graphischen Elementen illustriert, weiß genau, ob er selbst Schöpfer derselben ist oder nicht. Die Entfaltungsmöglichkeit ausländischer Teilnehmer des Rechtsverkehrs wird deshalb nicht unangemessen beschränkt, wenn sie sich vor der Verwendung fremder Bilder um die Einräumung entsprechender Rechte bemühen müssen.
Der OGH bejahte daher eine Urheberrechtsverletzung in Österreich, weil das Lichtbild ohne Zustimmung auf der Website abrufbar war, die Sprache der Website für die Zugänglichkeit des Bildes irrelevant war, der Schwerpunkt der Tätigkeiten des Fotografen in Österreich lag, dem Fotografen die Kontrolle über die Werknutzung in Österreich entzogen wurde und ihm dadurch Anerkennungs- und Vermarktungsmöglichkeiten entgingen.
Das Unterlassungsbegehren wurde daher bestätigt. Auch wenn die Website sich faktisch nicht an ein österreichisches Publikum richtet, ist das Lichtbild über das Internet in Österreich abrufbar, und damit ist das Zurverfügungstellungsrecht (§ 18a UrhG) tangiert.
Bezüglich des Zahlungsbegehrens wurde die Sache an das Erstgericht zurückverwiesen, da noch Feststellungen zur Höhe des angemessenen Entgelts für die Nutzung in Österreich erforderlich sind.
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