OGH-Entscheidung vom 21.1.2025, 4 Ob 192/24z
Sachverhalt:
Die „Tagespresse“, ein satirisches Online-Magazin, versendete im April 2023 folgenden Brief an 500 Gastwirte in Niederösterreich:
Für den Brief wurden das Logo und die Bezeichnung der FPÖ Niederösterreich verwendet und suggeriert, dass „nicht heimatverbundene Wirtshäuser“ in einem öffentlichen Online-Register als „unpatriotisch“ gebrandmarkt werden sollten. Dies war eine satirische Anspielung auf die von der FPÖ geforderte „Wirtshausprämie“ zur Förderung traditioneller Gastronomie.
Etwa 20 Gastwirte beschwerten sich bei der FPÖ über den Brief, einige kündigten an, die Partei nicht mehr wählen zu wollen. Die „Tagespresse“ klärte wenige Tage später auf ihrer Website über die wahre Urheberschaft auf.
Die FPÖ klagte auf Unterlassung und Urteilsveröffentlichung.
Entscheidung:
Das Erstgericht wies die Klage ab und bejahte eine zulässige Satire. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.
Der OGH befand die außerordentliche Revision der Klägerin jedoch für zulässig und berechtigt.
Die Klägerin stützte ihre Ansprüche ua auf die Verletzung ihres Namensrechts (§ 43 ABGB). Ein Gebrauch eines Namens durch Dritte verstößt dann gegen das Namensrecht des § 43 ABGB, wenn dadurch die berechtigten Interessen des Namensträgers verletzt werden. Eine Verletzung ist – neben einer Zuordnungsverwirrung – regelmäßig dann zu bejahen, wenn über den Namensträger etwas Unrichtiges ausgesagt wird, das sein Ansehen und seinen guten Ruf beeinträchtigt, ihn bloßstellt oder lächerlich macht (siehe zB HIER oder HIER im Blog).
Dies war nach Ansicht des OGH hier der Fall: Die schutzwürdigen Interessen der FPÖ waren im Anlassfall dadurch betroffen, dass ihr mit dem Brief (auch) ehrenrührige Absichten unterstellt werden, dass nämlich jene Gastleute, die sich den vermeintlichen Forderungen der Klägerin nicht unterwerfen, „in einem öffentlich einsehbaren Online-Register zur Warnung für Gäste als unpatriotisch“ ausgewiesen, quasi „an den Pranger“ gestellt werden.
Im Anlassfall war die Meinungsäußerungsfreiheit der Beklagten mit den Persönlichkeitsrechten der Klägerin abzuwägen. Der Eingriff in das Namensrecht der Klägerin könnte allenfalls mit Hinweis auf Satire gerechtfertigt werden. Die Meinungs- und Äußerungsfreiheit des Parodisten kann im Einzelfall nämlich unter Umständen höher bewertet werden als die Interessen des in seinen Persönlichkeitsrechten Beeinträchtigten; immer allerdings vorausgesetzt, dass im Einzelfall eine antithematische Behandlung vorliegt und als solche auch vom Publikum verstanden wird. Eine Parodie/Satire setzt nämlich voraus, dass der Leser, Hörer oder Betrachter auch erkennt, dass die Parodie gerade nicht vom Urheber des parodierten Werks stammt, sondern der Meinungs- und Äußerungsfreiheit des Parodisten entspringt.
Kurz gesagt: Eine Parodie ist nur dann zulässig, wenn sie vom Publikum auch als solche erkannt wird. Der professionell gestaltete Brief mit Logo und Briefkopf der FPÖ erweckte jedoch den Anschein der Echtheit.
Die Sanktionslosigkeit von Desinformation – hier in Form einer unbefugten Namensanmaßung – würde bedeuten, dass die Meinungsfreiheit auch über den Weg von bewussten Täuschungen und Verletzungen von Persönlichkeitsrechten ausgeübt werden kann. Derartiges ist von der Meinungsfreiheit nicht gedeckt.
Wegen der Verletzung des Namensrechts bejahte der OGH das Unterlassungsbegehren und auch den Anspruch auf Urteilsveröffentlichung.
Weitere Blog-Beiträge zum Thema Namensrecht und Satire:
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