OGH-Entscheidung vom 27.8.2024, 4 Ob 97/24d

 

Sachverhalt:

Dem klagenden Verlag stehen verschiedene Rechte im Zusammenhang mit der Kinderbuchserie „Der Räuber Hotzenplotz“ zu. Die Cover dieser Bücher zeigen folgende Figur des „Räuber Hotzenplotz“:

Ein Landesparteiobmann und dessen politische Partei kritisierten im Rahmen einer politischen Kampagne unter dem Schlagwort „Räuber Rathausplatz“ einen österreichischen Bürgermeister und dessen Partei. Dafür verwendeten sie auch folgendes Bild:

Verschiedene Varianten des Sujets fanden sich auch auf in Internetaufritten der Beklagten sowie auf Flyern und Plakatwänden wieder.

Der Verlag klagte u.a. auf Unterlassung und beantragte die Erlassung einer einstweiligen Verfügung.

 

Entscheidung:

Das Rekursgericht erkannte die Beklagten mittels einstweiliger Verfügung für schuldig, es bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens zu unterlassen, die oben wiedergegebene zeichnerische Darstellung des „Räuber Rathausplatz“ in dieser oder in einer anderen bearbeiteten oder veränderten Form der zeichnerischen Darstellung laut obigem Buchcover zu verwenden, insbesondere auch nur eine bearbeitete oder veränderte Form des dargestellten Hutes mit rotem Hutband und großer Feder. Einen auf Titelschutz (§ 80 UrhG) und Markenrechte gestützten Sicherungsantrag betreffend die Bezeichnung „Räuber Rathausplatz“ für politische Werbung wies es ab.

Der OGH wies den außerordentlichen Revisionsrekurs der Beklagten als unzulässig zurück.

Die Beklagten waren der Ansicht, dass ihre Veröffentlichungen selbständige Neuschöpfungen iSd § 5 Abs 2 UrhG seien. Der OGH verwies darauf, dass das fremde Werk nicht in identischer oder umgestalteter Form übernommen werden dürfen, auch nicht als Vorbild oder Werkunterlage, sondern lediglich als Anregung für das eigene Werkschaffen. Für die freie Benützung ist kennzeichnend, dass trotz des Zusammenhangs mit einem anderen Werk ein von diesem verschiedenes, selbständiges Werk vorliegt, dem gegenüber das Werk, an das es sich anlehnt, vollständig in den Hintergrund tritt.

Bei der vergleichenden Beurteilung des benützten und des neugeschaffenen Werks hat das Gericht festzustellen, durch welche objektiven Merkmale die schöpferische Eigentümlichkeit des benützten Werks bestimmt wird, und auf den Gesamteindruck abzustellen. Die Ansicht des Rekursgerichts, die wesentlichen Teile des Orginalwerks seien hier die Figur des Räubers, der über einen Zaun blickt, sowie der eigentümlich gestaltete Hut, hielt der OGH für vertretbar. Diese prägenden Elemente seien von den Beklagten übernommen worden. Dies habe keineswegs zu einem Verblassen des Originals geführt.

Es ist zudem umstritten, ob Grundrechte, insbesondere die Meinungs- und Kunstfreiheit, als Rechtfertigungsgrund für einen Urheberrechtseingriff herangezogen werden dürfen (siehe etwa HIER). Eine restriktive Auslegung der Rechtfertigungsgründe entspricht der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sowie des EuGH.

Die „Parodie“, auf die sich der Revisionsrekurs vorrangig stützt, ist in Art 5 Abs 3 lit k der Info-RL geregelt; demnach können die Mitgliedstaaten Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf die in den Art 2 und 3 vorgesehenen Rechte vorsehen, nämlich auch „für die Nutzung zum Zwecke von Karikaturen, Parodien oder Pastiches“. Mit der Urheberrechts-Novelle 2021 wurde daraufhin in § 42f Abs 2 UrhG normiert, dass ein veröffentlichtes Werk für die Nutzung zum Zweck von Karikaturen, Parodien oder Pastiches über eine große Online-Plattform gesendet oder der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt (§ 18c UrhG) und für diese Zwecke vervielfältigt werden darf.

Selbst wenn man diesen Rechtfertigungsgrund auf alle Nutzungen der Beklagten erstrecken würde, kann dessen Verneinung im Einzelfall vertretbar sein.

Das Rekursgericht setzte die Rechtfertigungsschranke für einen Eingriff in Urheberrechte bei einer bloßen Instrumentalisierung des Werks zur parodistischen Auseinandersetzung zwischen Dritten hoch an. Die Klägerin wurde ungewollt in eine politische Auseinandersetzung hineingezogen, ohne sich selbst positionieren zu können. Die Beklagten hätten auch ohne das Räuber-Sujet ihre Position vermitteln können. Die Interessenabwägung schlage daher zugunsten der Klägerin aus. Die grafische Darstellung des „Räubers Hotzenplotz“ dient hier weniger der Vermittlung einer politischen Botschaft, sondern es wird dessen Bekanntheit ausgenützt.

Auch der EuGH habe betont, dass bei der Anwendung der Ausnahme für Parodien im konkreten Fall ein angemessener Ausgleich zwischen den Interessen und Rechten der Urheber und der freien Meinungsäußerung des Nutzers gewahrt werden müsse. Entgegen den Rechtsmittelausführungen endet die Freiheit der Parodie daher keineswegs erst bei diskriminierenden Inhalten oder einer nachweislichen Verletzung materieller Interessen.

 

 

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