EuGH-Urteil vom 3.9.2014, Rechtssache C‑201/13
Sachverhalt:
Ein Mitglied des belgischen Vrijheidsfonds VZW, einer Vereinigung ohne Gewinnerzielungsabsicht, verteilte auf dem Neujahrsempfang der Stadt Gent Kalender für das Jahr 2011, auf denen er als verantwortlicher Herausgeber angegeben war. Auf der Vorderseite dieser Kalender war eine Zeichnung abgebildet. Diese Zeichnung ähnelte einer im Jahr 1961 von der klagenden Partei geschaffenen Zeichnung aus einem Comicheft. Diese Zeichnung stellte eine der Hauptfiguren dieses Hefts dar, die mit einer weißen Tunika bekleidet Münzen Personen zuwirft, die versuchen, sie aufzusammeln. In der streitgegenständlichen neueren Zeichnung wurde diese Figur durch den Bürgermeister der Stadt Gent ersetzt, und die die Münzen aufsammelnden Personen wurden durch verschleierte und farbige Personen ersetzt. Der Urheber der älteren Zeichnung sah darin eine Urheberrechtsverletzung und klagte.
Das innerstaatliche Verfahren wurde ausgesetzt und dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Entscheidung:
Der EuGH hielt zunächst fest, dass der in Art. 5 Abs. 3 Buchst. k der Richtlinie 2001/29/EG enthaltene Begriff „Parodie“ ein eigenständiger Begriff des Unionsrechts ist
Diese Bestimmung ist dahin auszulegen, dass die wesentlichen Merkmale der Parodie darin bestehen, zum einen an ein bestehendes Werk zu erinnern, gleichzeitig aber ihm gegenüber wahrnehmbare Unterschiede aufzuweisen, und zum anderen einen Ausdruck von Humor oder eine Verspottung darzustellen. Der Begriff „Parodie“ im Sinne dieser Bestimmung hängt nicht von den Voraussetzungen ab, dass die Parodie einen eigenen ursprünglichen Charakter hat, der nicht nur darin besteht, gegenüber dem parodierten ursprünglichen Werk wahrnehmbare Unterschiede aufzuweisen, dass sie vernünftigerweise einer anderen Person als dem Urheber des ursprünglichen Werkes zugeschrieben werden kann, dass sie das ursprüngliche Werk selbst betrifft oder dass sie das parodierte Werk angibt.
Des Weiteren muss bei der Anwendung der Ausnahme für Parodien ein angemessener Ausgleich zwischen den Interessen und Rechten der Urheber und der freien Meinungsäußerung des Nutzers eines geschützten Werkes, der sich auf die Ausnahme für Parodien beruft, gewahrt werden.
Im konkreten Fall sei es nun Aufgabe des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Ausgangsverfahrens zu beurteilen, ob bei der Anwendung der Ausnahme für Parodien – sofern die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Zeichnung die genannten wesentlichen Merkmale der Parodie aufweist – dieser angemessene Ausgleich gewahrt wird.