OGH-Entscheidung vom 20.12.2023, 6 Ob 206/23x
Sachverhalt:
Der Kläger ist Gemeindeangestellter und in seiner Wohnsitzgemeinde zudem Gemeinderat, Fraktionsobmann und Gemeindevorstand einer politischen Partei.
Die Beklagte ist eine politische Partei und im Gemeinderat vertreten. Es ist ihr ein Anliegen, die Sitzungen des Gemeinderats einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Daher streamte sie eine Gemeinderatssitzung über YouTube, an der der Kläger teilnahm.
Die Beklagte betreibt eine Facebook-Seite auf der sie den Live-Stream der Gemeinderatssitzung abrufbar hielt. Als Hintergrundbild verwendete sie ein Standbild der Videoaufnahme der Gemeinderatssitzung. Der Kläger ist auf diesen Standbildern als eine von acht Personen in der Mitte des Bildes erkennbar. Einer Verbreitung oder Veröffentlichung seiner Aufnahme hatte der Kläger nicht zugestimmt.
Der Kläger wurde darauf mehrfach angesprochen, weil durch die Abbildung für Dritte der Eindruck entstand, der Kläger wäre Parteimitglied der Beklagten. Weil er sich mehrmals rechtfertigen musste, warum sein Bild in den Facebook-Postings der Beklagten aufscheint, war der Kläger „massiv genervt“ und deshalb auch schon im Krankenstand. Er klagte auf Löschung, Unterlassung und Zahlung von 500 EUR.
Entscheidung:
Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren statt. Der OGH gab der außerordentlichen Revision der Beklagten nicht Folge.
Die Verarbeitung personenbezogener Daten – dazu gehört auch das äußere Erscheinungsbild einer Person – ist gemäß Art 6 Abs 1 DSGVO nur unter bestimmten Voraussetzungen rechtmäßig.
Der Zulässigkeitstatbestand
Nach Art 6 Abs 1 lit f DSGVO ist die Verarbeitung personenbezogener Daten unter drei kumulativen Voraussetzungen zulässig: Erstens muss von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen oder von einem Dritten ein berechtigtes Interesse wahrgenommen werden, zweitens muss die Verarbeitung der personenbezogenen Daten zur Verwirklichung des berechtigten Interesses erforderlich sein und drittens dürfen die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der Person, deren Daten geschützt werden sollen, nicht überwiegen.
Die konkrete Datenverarbeitung ist nur dann zur Wahrung der berechtigten Interessen erforderlich, wenn kein milderes, gleich effektives Mittel zur Verfügung steht, um diese Interessen zu erreichen (siehe zB DIESE Entscheidung).
Im vorliegenden Fall wäre auch eine Verlinkung ohne Lichtbild bzw die Verwendung eines Beispielbilds ohne Verarbeitung personenbezogener Daten des Klägers als datenminimierendes Mittel möglich gewesen, ohne dass für die Öffentlichkeit relevante Informationen verloren gegangen wären.
Nach § 9 Abs 1 DSG finden die Bestimmungen des Datenschutzgesetzes sowie näher bezeichnete Kapitel der DSGVO auf die Verarbeitung von personenbezogenen Daten durch Medieninhaber, Herausgeber, Medienmitarbeiter und Arbeitnehmer eines Medienunternehmens oder Mediendienstes im Sinn des Mediengesetzes zu journalistischen Zwecken des Medienunternehmens oder Mediendienstes keine Anwendung (vgl Art 85 Abs 1 DSGVO). Der Verfassungsgerichtshof hat § 9 Abs 1 DSG als verfassungswidrig aufgehoben. Die Aufhebung tritt jedoch erst mit Ablauf des 30. 6. 2024 in Kraft, sodass die Bestimmung auf den vorliegenden Fall (noch) anzuwenden war. Das Berufungsgericht verneinte jedoch vertretbar eine journalistische Zielsetzung der Beklagten. Sie biete bloße Information, jedoch keine darüberhinausgehende journalistische Bearbeitung.
§ 53 der Oberösterreichischen Gemeindeordnung (Oö GemO) regelt zwar den Grundsatz der Öffentlichkeit von Gemeinderatssitzungen. Dennoch lässt sich aus diesen Bestimmungen kein Recht einer politischen Partei auf Verbreitung bzw Veröffentlichung von visuell aufgezeichneten Gemeinderatssitzungen ableiten.
Nach Art 82 Abs 1 DSGVO hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter. Der OGH befand die zugesprochenen EUR 500 als gerechtfertigt an.
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