OGH-Entscheidung vom 20.11.2023, 6 Ob 211/23g

 

Sachverhalt:

Der Kläger ist Polizist. Bei einem Polizeieinsatz im Zuge einer Demonstration wurde er fotografiert, wobei sein Gesicht mit einer FFP 2-Maske bedeckt war. Die Beklagte veröffentlichte das Foto auf ihrer Facebook-Seite und schrieb dazu den (unwahren) Begleittext: „Dieser Polizist eskalierte bei der Demo in Innsbruck. Ein 82-jähriger unschuldiger Mann wurde zu Boden gerissen, verhaftet und stundenlang verhört. Dieser Polizist ist schuldig.

Der Polizist klagte auf Widerruf, wobei das Widerrufshauptbegehren den vollen Namen des Klägers enthielt, während das Widerrufseventualbegehren die Umschreibung „jener Polizist“ enthielt. Ein weiteres Eventualbegehren bezog sich auf die Feststellung einer Datenschutzrechtsverletzung.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht gab dem Widerrufseventualbegehren („jener Polizist“) statt. Über das auf eine Verletzung des Rechts auf Datenschutz gestützte Eventualbegehren des Klägers wurde nicht entschieden. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Der OGH wie die außerordentliche Revision des Klägers zurück.

Das Berufungsgericht war der Auffassung, der Kläger habe die beiden Eventualbegehren erkennbar dahin gereiht, dass für den Fall der Abweisung des Widerrufshauptbegehrens (mit Namensnennung) zuerst über das Widerrufseventualbegehren (ohne Namensnennung) und (erst) für den Fall auch der Abweisung des Widerrufseventualbegehrens über das weitere Eventualbegehren auf Feststellung einer Verletzung des Rechts auf Datenschutz entschieden werden solle. Damit hat das Berufungsgericht den ihm bei der Auslegung des Klagebegehrens bzw des dazu erstatteten Prozessvorbringens zukommenden Beurteilungsspielraum nicht überschritten. Angebliche Verfahrensmängel erster Instanz, die vom Gericht zweiter Instanz nicht als solche erkannt worden sind, können in dritter Instanz nicht mehr geltend gemacht werden.

Widerruf bedeutet, dass eine Behauptung als unwahr zurückgenommen wird. Ziel des Widerrufs ist es, die durch die unwahre rufschädigende Tatsachenbehauptung entstandene abträgliche Meinung über den Verletzten nachträglich zu beseitigen. Ein Widerruf kann grundsätzlich nur hinsichtlich der tatsächlich aufgestellten Behauptungen, und zwar in ihrem ursprünglichen Wortlaut, verlangt werden. Ausnahmen von diesem Grundsatz sind nur insoweit möglich, als dies zur Entkräftung der beim Empfänger der Mitteilung aus dem Gesamtzusammenhang entstandenen abträglichen Meinung zur Klarstellung notwendig ist. Dadurch darf der Sinngehalt der beanstandeten Äußerung aber nicht verändert werden.

Beide Vorinstanzen waren der Auffassung, nur der im Widerrufseventualbegehren angeführte Wortlaut entspreche dem ursprünglichen Wortlaut der von der Beklagten tatsächlich aufgestellten Behauptung, in der nur von dem auf dem Lichtbild abgebildeten Polizisten die Rede gewesen sei. Der Kläger begehre im abgewiesenen Widerrufshauptbegehren seine namentliche Nennung und argumentiere unzutreffend damit, dass der Veröffentlichungswert des Widerrufs der begehrten bloßen Textmitteilung erhöht werden müsse, weil er in der Anlassveröffentlichung (nur) durch ein Bild identifizierbar gewesen sei und beim Widerruf eine neuerliche Bilddarstellung nicht wünsche. Eine Notwendigkeit der Klarstellung durch namentliche Nennung des Klägers im Widerruf ist jedoch nicht gegeben. Das Publikum, das den Kläger auf dem inkriminierten Beitrag im Facebook-Profil der Beklagten – aufgrund des Lichtbilds – namentlich identifizieren habe können, bedürfe einer namentlichen Nennung des Klägers nicht, um durch den Widerruf über die Unrechtshandlung der Beklagten gegenüber dem Kläger entsprechend aufgeklärt zu werden. Jene Verkehrskreise, die den Kläger – trotz des Lichtbilds – nicht erkannt hätten, benötigten wiederum nicht die Zusatzinformation, dass es sich bei dem auf dem Lichtbild abgebildeten und im Text erwähnten Polizisten um namentlich den Kläger gehandelt habe, damit die bei ihnen entstandene abträgliche Meinung über den Kläger beseitigt werde.

Diese Beurteilung bestätigte nun auch der OGH. Die Revision habe nicht schlüssig dargelegt, weshalb die durch die inkriminierte Äußerung und das Lichtbild hervorgerufene abträgliche Meinung bei jenen Personen, die den Kläger nicht kannten, durch die Nennung des gar nicht veröffentlichten Namens des Klägers wirksamer beseitigt werden könne.

 

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