OGH-Entscheidung vom 15.12.2021, 7 Ob 197/21b

 

Sachverhalt:

Ein Ehepaar mit drei gemeinsamen Kindern wurde 2014 einvernehmlich geschieden. Im Scheidungsvergleich wurde vereinbart, dass beiden Elternteilen weiterhin die gemeinsame Obsorge für die Kinder zukommt. Als Hauptbetreuungsort wurde der Wohnort der Mutter vereinbart. Dem Erstantragsteller kam ein 14-tägiges Kontaktrecht zu. Nach einem Urlaub im Juli 2020 brachte der Vater die Kinder jedoch nicht zur Mutter zurück. Er beantragte stattdessen die Übertragung der alleinigen Obsorge. Mit Beschluss des Pflegschaftsgerichts wurde in weiterer Folge der Wohnsitz des Vaters als Hauptbetreuungsort festgelegt. Der Mutter wurde ein begleitetes Kontaktrecht eingeräumt. Aus Ärger postete die Mutter auf ihrem öffentlichen Facebook-Account einen Text über ihr Familienleben. Darin schrieb sie, dass ihr schwerwiegende Vorwürfe gemacht würden, die jedoch von Gutachtern widerlegt worden seien. Sie habe sieben Jahre lang die drei Kinder großgezogen und dürfe ihre Kinder nur mehr hin und wieder mit einer Besuchsbegleitung sehen, wobei das schwieriger werde und zuletzt gar nicht mehr funktioniert habe. Sie kämpfe um ihre Kinder und sie wolle sie wieder bei sich haben. Zuletzt bat sie die Leser, das Posting zu teilen. Unter dem Posting waren die Kommentare anderer Nutzer zu lesen, die durchwegs zugunsten der Mutter ausfielen und unter anderem „Macht“ und „Wohlstand“ der Schwiegereltern als Ursache andeuteten. Die Antragsteller (Ex-Ehemann und dessen Eltern) beantragten daraufhin die Erlassung einer einstweiligen Verfügung. Der Mutter solle es verboten werden, derartige Postings zu verbreiten; ebenso solle das Posting gelöscht werden.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht erließ antragsgemäß die einstweilige Verfügung für die Dauer eines Jahres. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Der OGH lies den Revisionsrekurs der Antragsgegnerin (Mutter) zur Klarstellung der Rechtslage zwar zu, befand ihn jedoch für unberechtigt.

§ 382g Abs 1 Z 7 (nach der Gesamtreform des Exekutionsrechts: § 382d Z 7 EO) soll einen wirksamen Behelf auch gegen „Cybermobbing“ bieten. Mit dieser Bestimmungsind insbesondere die Verbreitung „im Wege der Telekommunikation oder unter Verwendung eines Computersystems“, zum Beispiel über soziale Medien im Internet, aber auch die „herkömmliche“ Verbreitung, etwa über Plakate, erfasst. Neben Ehrverletzungen werden sonstige Verletzungen der Privatsphäre auch dann erfasst, wenn es sich dabei nicht um Tatsachen oder Bildaufnahmen des höchstpersönlichen Lebensbereichs handelt, wie zum Beispiel obszöne Bemerkungen oder Beschimpfungen. Solche Äußerungen können, wenn sie in sozialen Netzwerken gepostet werden, im Rahmen des § 382g Abs 1 Z 7 EO verboten und entfernt werden. Neben dem Wahrnehmbarmachen (Verbreiten) soll ausdrücklich auch das Wahrnehmbarhalten verboten werden können. Damit kann der Antragsgegner auch dazu verhalten werden, bestimmte Inhalte aus dem Internet zu entfernen (Löschung). Erfasst sind insbesondere E-Mails, SMS und Anrufe, aber auch MMS, instant messages, Postings, die Platzierung von Nachrichten und Bildern auf Internetseiten oder Internetplattformen aller Art und die Verbreitung über soziale Netzwerke.

Der höchstpersönliche Lebensbereich stellt den Kernbereich der geschützten Privatsphäre dar und ist daher einer den Eingriff rechtfertigenden Interessenabwägung regelmäßig nicht zugänglich. Die Antragsgegnerin hat in ihrem Facebook-Posting private Details des Familienlebens der Antragsteller bekanntgegeben sowie – trotz Kenntnis – gehässige Kommentare gegen diese geduldet und damit in deren geschützte Privatsphäre eingegriffen. Dass die Antragsgegnerin in ihrem Posting die Namen der Antragsteller nicht genannt hat, war unerheblich, weil diese schon aufgrund der Namensgleichheit auch ohne Anführung der Familiennamen identifiziert werden konnten.

Im vorliegenden Fall waren das Persönlichkeitsrecht der Antragsteller auf Achtung ihrer Privatsphäre und des Familienlebens (vgl Art 8 EMRK) und das Recht der Antragsgegnerin auf freie Meinungsäußerung berührt (Art 10 EMRK). Der OGH war nicht der Ansicht, dass das Posting dem öffentlichen Informationsinteresse diente. Vielmehr ging es der Antragsgegnerin darum, negative Stimmung gegen die Antragsteller und das Pflegschaftsgericht zu machen. Dass sie mit der Veröffentlichung bezweckte, die Kinder vor einer Kindeswohlgefährdung zu schützen, war für den OGH nicht nachvollziehbar, denn gerade das konnte mit dem Posting nicht erreicht werden. Damit überwog eindeutig das Interesse der Antragsteller am Schutz ihrer Privatsphäre das behauptete Interesse der Antragsgegnerin an der freien Meinungsäußerung. Damit waren sowohl die Sicherung des Unterlassungsbegehrens als auch des Löschungsbegehrens mit den Mitteln gemäß § 382g Abs 1 Z 7 EO berechtigt.

 

 

Link zum Entscheidungstext

 

Thematisch passende Blog-Beiträge:

Datenschutz: Ist die Vorlage von E-Mails und Chatprotokollen mit sensiblen Daten des Ex-Ehepartners im gerichtlichen Obsorge- und Kontaktrechtsverfahren zulässig?

„Stalking“: Einstweilige Verfügung darf breiter gefasst sein um Ausweichen auf andere Stalking-Methoden zu verhindern

Ehrenbeleidigung: Spekulative Äußerungen über Inzest vor dem Jugendamt

Geheime Aufnahmen von Streitgesprächen

Heimliche Tonaufnahmen zu Beweiszwecken?

Handyvideos zu Beweiszwecken

Bildberichterstattung über „Ibiza-Anwalt“ ist im Interesse der Öffentlichkeit. (Durch eigene Handlungen Interesse an seiner Person bewirkt.)

EuGH zur Verbreitung verunglimpfender Äußerungen über das Internet: Schadenersatz kann in jedem Mitgliedstaat (anteilig) eingeklagt werden, wo verletzender Inhalt zugänglich ist/war.