OGH-Entscheidung vom 18.2.2021, 6 Ob 16/21b
Sachverhalt:
Der Klägerin wurde aufgrund ihres Alkoholkonsums die Obsorge über ihre Kinder entzogen. Im Rahmen des Obsorgeverfahrens spielte der Alkohol- bzw Drogenkonsum der Klägerin eine zentrale Rolle. Während dieser Zeit wurde die Klägerin heimlich von ihrem ehemaligen Lebensgefährten mit dessen Mobiltelefon aufgenommen und gefilmt. Insbesondere wurden Streitgespräche festgehalten. Darüber hinaus fotografierte der Beklagte Dokumente der Klägerin und übermittelte diese an Dritte. Zumindest ein Video schickte der Beklagte an die Mutter der Klägerin, um ihr das Verhalten ihrer Tochter vor Augen zu führen.
Die Klägerin beantragte die Erlassung einer einstweiligen Verfügung auf Unterlassung der Weitergabe bzw Verbreitung bestimmter ohne ihr Einverständnis angefertigter Lichtbild- und Tonaufzeichnungen sowie Aufnahmen höchstpersönlicher Dokumente, insbesondere persönlicher Briefe, sowie auf Unterlassung der Anfertigung von Film- oder Tonaufzeichnungen der Klägerin ohne ihr Einverständnis.
Entscheidung:
Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Der OGH hielt den dagegen erhobenen Revisionsrekurs des Beklagten für unzulässig.
Zur Frage, ob die so erlangten geheimen Aufnahmen als Beweismittel vor Gericht verwendet werden können, führte der OGH in seiner Begründung zunächst aus, dass Beweisanträge nur innerprozessual auf dem von der ZPO vorgeschriebenen Weg erfolgen könnten. Diese auf eine gerichtliche Entscheidung gerichteten Handlungen unterlägen allein der Beurteilung des angerufenen Gerichts. Ein selbständig durchsetzbarer Anspruch der Klägerin auf Unterlassung der Vorlage der Aufnahmen in einem Gerichtsverfahren wurde daher verneint. Die Zulässigkeit eines Beweismittels ist im jeweiligen Anlassverfahren zu beurteilen.
Auch das Urheberrecht steht der Verwendung eines Werkes bzw. Bildes zu Beweiszwecken vor Gericht nicht entgegen (§ 41 UrhG). Somit kann die Vorlage in einem Gerichtsverfahren zu Beweiszwecken nicht verhindert werden; dies gilt selbst dann, wenn das Beweismittel rechtswidrig erlangt wurde (siehe zugehörige OGH-Entscheidung HIER im Blog). Aus diesen Gründen hat die Klägerin keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte die Vorlage der gegenständlichen Aufnahmen in einem Gerichtsverfahren unterlässt.
Zur Weitergabe der Aufnahme an Dritte (Mutter der Klägerin) hielt der OGH fest, dass Angehörige kein berechtigtes Interesse daran haben. Die Übermittlung dieser Aufnahme war daher nicht gerechtfertigt. Davon ausgehend lag eine Gefährdung der Klägerin vor und die Erlassung der einstweiligen Verfügung war gerechtfertigt. Auch die Weitergabe aufgenommener Telefonate war laut OGH zu Recht vom Unterlassungsgebot umfasst. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass Unterlassungsgebote so allgemein zu fassen sind, dass dem Verpflichteten die Umgehung nicht allzu leicht gemacht wird.
Die Weitergabe von gefilmten Streitgesprächen ist nach § 78 UrhG zu beurteilen (siehe dazu DIESE Entscheidung). Hier ist zunächst zu prüfen, ob im Einzelfall überhaupt ein schutzwürdiges Interesse des Abgebildeten vorliegt, das verletzt sein könnte. Wenn dies der Fall ist, dann ist in einem zweiten Schritt die Interessenlage auf beiden Seiten zu beurteilen, aus deren Abwägung sich ergibt, ob die Geheimhaltungsinteressen prävalieren und damit zu „berechtigten Interessen“ werden. Da der OGH hinsichtlich der Weitergabe von Aufnahme an die Mutter der Klägerin kein berechtigtes Interesse erkennen konnte, war die Weitergabe dieser Aufnahmen ebenfalls zu Recht vom Unterlassungsgebot umfasst.
Nach den Feststellungen fotografierte der Beklagte auch mehrere Dokumente der Klägerin mit seinem Mobiltelefon. Die Vorinstanzen gaben dem auf Unterlassung der Weitergabe und Verbreitung von Aufnahmen höchstpersönlicher Dokumente an dritte Personen gerichteten Begehren gestützt auf § 77 UrhG statt. Der OGH bestätigte die Entscheidung, da angesichts des Inhaltes ein berechtigtes Interesse an der Weitergabe nicht zu erkennen war.
Zur Anfertigung von Aufnahmen der Klägerin hielt der OGH fest, dass bereits das Herstellen eines Bildes ohne Einwilligung des Abgebildeten einen Eingriff in dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht darstellen kann, wobei eine Güter- und Interessenabwägung im Einzelfall vorzunehmen ist (siehe auch DIESE Entscheidung). Im vorliegenden Fall fertigte der Beklagte die Aufnahmen großteils heimlich an, die Anfertigung erfolgte im privaten Wohnbereich und die Klägerin war in diesen Situationen emotional aufgebracht und/oder alkoholisiert. In der Begründung des Beklagten hierfür, wonach es nicht ausgeschlossen werden könne, dass er zum Schutz der Kinder der Klägerin Aufnahmen tätigen müsse, sahen OGH und Vorinstanzen keine ausreichende Rechtfertigung (anders als in DIESER Entscheidung). Der Klägerin ihren Alkoholkonsum vor Augen zu führen reicht ebenfalls als berechtigtes Interesse nicht aus.