OGH-Entscheidung vom 20.5.2020, 6 Ob 206/19s

 

Sachverhalt:

Die Klägerin und ihr Exlebensgefährte haben eine gemeinsame Tochter. Nachdem dieser eine neue Beziehung eingegangen war und die Klägerin von diesem Verhältnis erfahren hatte, entwickelten sich gerichtliche Auseinandersetzungen und private Streitereien.

Eines Abends nahm die gemeinsame Tochter an einem Turnier in einem Vereinslokal teil. Die neue Freundin des Exlebensgefährten wollte die Tochter gemeinsam mit dessen Nichte und dessen Schwester von der Veranstaltung abholen. In weiterer Folge entwickelte sich eine – auch körperliche – Auseinandersetzung zwischen der ebenfalls anwesenden Klägerin und den Frauen. Die Nichte (Beklagte) filmte die Auseinandersetzung mit ihrem Handy. Infolge dieser Auseinandersetzung kam es zu einem Strafverfahren, im Zuge dessen das Video zu Beweiszwecken verwendet wurde.

Die Klägerin klagte auf Unterlassung, wonach es die Beklagte unterlassen solle, Bild- und/oder Tonaufnahmen und/oder Videoaufnahmen von der Klägerin anzufertigen und zu verbreiten. Weiters wurde die Löschung der Aufnahmen begehrt.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren wiederum statt. Der OGH befand die Revision der Beklagten für zulässig und berechtigt.

Im Hinblick auf die Anfertigung von Videos führte der OGH zunächst aus, dass bereits die Herstellung eines Bildnisses ohne Einwilligung des Abgebildeten einen unzulässigen Eingriff in dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht darstellen kann. Dabei wird nicht nur auf den privaten Bereich abgestellt, sondern auch die Herstellung von Bildnissen einer Person in der Öffentlichkeit kann einen unzulässigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen darstellen.

Im vorliegenden Fall stellte das Filmen zwar grundsätzlich einen Eingriff in Persönlichkeitsrechte der Klägerin dar, der OGH hatte jedoch durch Vornahme einer Interessenabwägung zu prüfen, ob dieser Eingriff gerechtfertigt war. Die Beklagte fertigte die Aufnahme nicht zur Belustigung, sondern zu Beweiszwecken an. Im Unterschied zu DIESER Entscheidung, wo die Aufnahme für zulässig erachtet wurde, war die Klägerin jedoch nicht als Amtsträgerin während einer Amtshandlung tätig. Weiters wurde dort das Aufnehmen wahrgenommen, während hier die Klägerin die Videoaufnahme erst nach einiger Zeit bemerkte. Die Klägerin wurde bereits vor dem Beginn der Aufnahme sowohl verbal ausfällig als auch körperlich übergriffig. Die Aufnahme erfolgte somit nicht ohne entsprechenden Anlass. Der höchstpersönliche Lebensbereich der Klägerin wurde nicht tangiert, da die gefilmte Szene sich vor dem Vereinslokal abspielte, also im Freien. Das Filmen diente des Zwecks der Beweissicherung. Die Interessenabwägung ergab daher die Berechtigung des Anfertigens der Videoaufnahme.

Die Veröffentlichung und Verbreitung von Bildnissen ist nach § 78 UrhG zu beurteilen. Durch diese Bestimmung soll jedermann dagegen geschützt werden, dass er durch Verbreitung seines Bildnisses bloßgestellt, dass dadurch sein Privatleben der Öffentlichkeit preisgegeben oder sein Bildnis auf eine Art benützt wird, die zu Missdeutungen Anlass geben kann oder entwürdigend oder herabsetzend wirkt. Eine vom Abgebildeten nicht genehmigte Verbreitung eines Bildnisses kann zulässig sein, wenn dadurch ein schutzwürdiges Interesse des Abgebildeten überhaupt nicht verletzt wird. Als Erstes ist daher zu prüfen, ob im Einzelfall überhaupt ein schutzwürdiges Interesse des Abgebildeten vorliegt, das verletzt sein könnte; wenn nein, ist der rechtliche Schutz zu versagen; wenn ja, dann ist in einem zweiten Schritt eine Interessenabwägung vorzunehmen.

Im vorliegenden Fall konnte vom OGH unter Berücksichtigung DIESER Entscheidung kein rechtswidriges Verhalten der Beklagten erblickt werden. Die Weitergabe des Videos an den Exlebensgefährten war aufgrund der vorzunehmenden Interessenabwägung gerechtfertigt. Als Vater habe er jedenfalls das Recht, Umstände zu erfahren, die für das Wohl seiner Tochter und somit in weiterer Folge unter Umständen für Obsorgeregelungen bzw das Kontaktrecht bedeutsam sein können. Bei den im Video dokumentierten Verhaltensweisen der Klägerin handelt es sich um solche Umstände. Auch das zweite Unterlassungsbegehren war daher unberechtigt.

Zum Löschungsanspruch führte der OGH aus, dass bei Verletzung von Persönlichkeitsrechten dem Verletzten grundsätzlich ein Unterlassungsanspruch und ein in diesem Anspruch enthaltener Beseitigungs-(Vernichtungs-)anspruch zusteht. Im vorliegenden Fall war jedoch die Anfertigung des Videos gerechtfertigt. Dies allein würde aber die dauerhafte Aufbewahrung des Videos noch nicht rechtfertigen. In DIESER bereits erwähnten Entscheidung wurde der Beklagte zur Löschung der Daten verpflichtet, nachdem ihr Zweck als Beweismittel erfüllt war. Im vorliegenden Fall ist das angestrengte Zivilverfahren noch nicht rechtskräftig beendet. Der Löschungsanspruch besteht daher derzeit nicht zu Recht.