OGH-Entscheidung vom 27.6.2019, 6 Ob 6/19d

 

Sachverhalt:

In den Räumlichkeiten eines Unternehmers kam es zu einem Polizeieinsatz. Die im Gebäude anwesende Beklagte und der Unternehmer wurden von der Amtshandlung überrascht. Neben zwei Gerichtsvollziehern schritten maskierte und nicht maskierte Polizeibeamte ein. Unmittelbar nach Beginn der Amtshandlung forderte der Unternehmer die Beklagte auf, die Amtshandlung zu Beweiszwecken mittels Mobiltelefons zu filmen. Die Amtshandlung wurde auch durch einschreitende Polizeibeamte mittels am Körper befestigter sowie in der Hand getragener Videokameras gefilmt.

Ein Polizeibeamter erteilte der Beklagten die ausdrückliche Belehrung, dass sie zwar berechtigt sei, die Amtshandlung per Videoaufnahme zu filmen, dass jedoch eine Veröffentlichung dieser Filmaufnahme unzulässig und in diesem Fall mit zivilrechtlichen Folgen zu rechnen sei. Die Beklagte setzte daraufhin das Filmen der Amtshandlung fort. Die Dauer der gesamten Videoaufnahme beträgt 14 Minuten und 41 Sekunden.

In den Nachmittagsstunden desselben Tages wurde die Videoaufnahme auf „YouTube“ hochgeladen und abrufbar gehalten. Wer diese Videoaufnahme auf „YouTube“ hochgeladen und damit veröffentlicht hat, konnte nicht festgestellt werden.

Der Kläger ist auf der Aufnahme zu sehen und wird auch einmal mit seinem Namen angesprochen. Der Kläger begehrt nun, der Beklagten die Anfertigung sowie die Veröffentlichung von ihn zeigenden Lichtbildern, Videoaufnahmen oder ähnlichen Abbildungen zu verbieten.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht gab dem gesamten Klagebegehren statt. Der OGH hielt die Revision der Beklagten für zulässig und teilweise berechtigt.

Das Anfertigen von Aufnahmen hielt der OGH im vorliegenden Fall für zulässig:

§ 22 MedienG verbietet zwar Fernseh- und Hörfunkaufnahmen und -übertragungen sowie Film- und Fotoaufnahmen von Gerichtsverhandlungen. Der Vollzug einer Fahrnisexekution ist aber keine Gerichtsverhandlung. Gemäß § 78 Abs 1 UrhG dürfen Bildnisse von Personen weder öffentlich ausgestellt noch auf eine andere Art, wodurch sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, verbreitet werden, wenn dadurch berechtigte Interessen des Abgebildeten oder, falls er gestorben ist, ohne die Veröffentlichung gestattet oder angeordnet zu haben, eines nahen Angehörigen verletzt würden. Diese Norm betrifft somit nur die Veröffentlichung und Verbreitung von Bildnissen, nicht aber deren Anfertigung. Der OGH sah auch keine Ansprüche nach § 16 ABGB als erfüllt an, da eine Überspannung des Schutzes der Persönlichkeitsrechte zu einer unerträglichen Einschränkung der Interessen anderer und jener der Allgemeinheit führen würde.

Die Belehrung des Einsatzleiters (filmen zu dürfen) sah der OGH jedoch auch nicht als rechtsgeschäftliche Zustimmung zu einer Aufnahme an, sondern als bloße Wissenserklärung des Einsatzleiters über die Rechtslage. Diese Wissenserklärung muss mit der wahren Rechtslage nicht übereinstimmen und könnte bei tatsächlicher Rechtswidrigkeit des Filmens dieses auch nicht rechtfertigen.

Schlussendlich kam der OGH dennoch zu dem Ergebnis, dass keine ausreichenden Gründe vorhanden sind, der Beklagten das Filmen der Amtshandlung zu verbieten. Behaupteter Zweck der Aufnahme war die Dokumentation der Amtshandlung als solcher zu Beweiszwecken, nicht aber die gezielte Aufnahme (nur und speziell) des Klägers. Dass sich aus diesem Zweck der Aufnahmen deren Rechtswidrigkeit ergäbe, ist nicht ersichtlich und kann aus keiner gesetzlichen Bestimmung abgeleitet werden. Dass es dem Kläger möglicherweise unangenehm war, gefilmt zu werden, begründet für sich noch keinen Eingriff in von der Rechtsordnung geschützte Interessen.

Für die Erlaubtheit des Filmens kann nicht erforderlich sein, dass etwa der Kläger übergriffig geworden wäre oder Sachen beschädigt hätte: Eine Aufnahme, die erst nach einem erfolgten Übergriff oder einer Beschädigung beginnt, kann den Dokumentationszweck nicht erfüllen. Die Beklagte ist auch nicht als „unbeteiligte Dritte“ zu einem Polizeieinsatz dazugekommen, sondern war
selbst vom Polizeieinsatz betroffen.

Die Veröffentlichung der Aufnahmen hielt der OGH im vorliegenden Fall hingegen für unzulässig:

Demnach sei der Kläger durch die Verbreitung im Internet einer breiten Öffentlichkeit „vorgeführt“ worden. Die Beiziehung von Polizei, der Spezialeinheit „Cobra“ sowie von Polizeihunden sei keineswegs der Regelfall. Wenn das Gericht diesen Polizeieinsatz für erforderlich hielt, muss es begründete Besorgnis gegeben haben, dass anders ein Vollzug nicht möglich wäre, etwa weil sich der Verpflichtete unter Umständen auch gewaltsam gegen den Vollzug wehren würde. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass die Veröffentlichung des Videos gerade dazu dienen sollte, in den entsprechenden Verkehrskreisen die Staatsgewalt und somit auch den Kläger, der als Polizist für diese einschritt, herunterzumachen. Schließlich wurde der Kläger im Video mit seinem Namen angesprochen, sodass auch seine Anonymität ohne sachlichen Grund beeinträchtigt wurde. Irgendwelche Gründe, die hier die Interessenabwägung für ein Recht auf Veröffentlichung ausschlagen lassen würden (zB Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit), hat die Beklagte nicht genannt.

Rechtswidrig ist die Unterlassung einer besonderen Verbindlichkeit, das Übel zu verhindern. Die Unterlassungspflicht enthält auch die Verpflichtung, auf Dritte im Sinne der Unterlassung einzuwirken. Der Unterlassungsanspruch ist gegeben, wenn die Störungshandlung zwar nicht vom Beklagten selbst, aber doch von ihm direkt veranlasst wurde, indem er durch Handlungen oder Unterlassungen die Voraussetzung dafür schuf, dass der Dritte die Störung begehen konnte. Die Beklagte wäre folglich dazu verpflichtet gewesen, alles ihr Mögliche vorzukehren, um die Veröffentlichung der Videoaufnahmen zu verhindern. Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ging der OGH (zumindest) von einem Beitrag der Beklagten zur Veröffentlichung der Videoaufnahme aus.