OGH-Entscheidung vom 20.1.2020, 1 Ob 1/20h

 

Sachverhalt:

Zwischen den Streitparteien war ein Scheidungsverfahren und ein Pflegschaftsverfahren betreffend die gemeinsamen Kinder anhängig. Der Beklagte konfrontierte die Klägerin immer wieder damit, sie sei psychisch krank und solle sich behandeln lassen, und auch damit, ihr die Kinder wegzunehmen, was sie besonders wütend machte. Sie begann dann zu schreien und zu schimpfen (zB „pädophiler Wichser“).

Der Beklagte nahm zumindest 35 solcher Streitgespräche mit seinem Handy auf. Bei keinem dieser Streitgespräche sagte er ihr, dass er das Gespräch aufnehme. Die Klägerin hat in keinem der anhängigen Verfahren dem Beklagten Kindesmissbrauch oder Pädophilie vorgeworfen. 

Die Klägerin klagte auf Unterlassung und Löschung der Aufnahmen.

 

Entscheidung:

Der Klage wurde in erster und zweiter Instanz Folge gegeben. Der OGH wies die dagegen erhobene Revision des Beklagten zurück.

In der Rechtsprechung ist das „Recht am eigenen Wort“ anerkannt, das aus § 16 ABGB abgeleitet wird. Die heimliche Aufnahme von dienstlichen Gesprächen ist ebenso rechtswidrig wie die von privaten, sofern deren Aufzeichnung nicht der üblichen Erleichterung des Geschäftsverkehrs entspricht. Der in seinem Recht auf das eigene Wort Verletzte hat neben einem Unterlassungsanspruch einen Anspruch auf Löschung der rechtswidrig erlangten Tonaufzeichnung.

Wenn der Beklagte dagegen einwendet, dass er das Beweismittel in einem anderen Verfahren wegen Beweisnotstands unbedingt benötigt, ist eine Güter- und Interessenabwägung vorzunehmen. Hierbei genügt nicht schon das allgemeine Interesse jeder Partei, über ein besonders beweiskräftiges Beweismittel zu verfügen. Demjenigen, der sich auf einen solchen beruft, obliegt der Beweis, dass er die Tonaufzeichnungen bei sonstiger Undurchsetzbarkeit seines Anspruchs benötigt und dass sein verfolgter Anspruch und seine subjektiven Interessen höherwertig sind, als die bei Erlangung des Beweismittels verletzte Privatsphäre des Prozessgegners.

Die Klägerin war aufgrund der Streitsituationen emotional aufgebracht, als sie entsprechende Äußerungen gegenüber dem Beklagten tätigte. Sie brachte ihn weder außerhalb der Gerichtsverfahren noch in diesen in eine Situation, in der er auf diese Gesprächsmitschnitte infolge einer „Notsituation“ zurückgreifen hätte müssen. Im Scheidungsverfahren sei der Vorwurf eines allenfalls strafrechtlich relevanten Verhaltens gar nicht erhoben worden. Der Beklagte konnte die Prozessthemen, in denen entsprechende Beweismittel erforderlich gewesen wären, nicht dargelegt, sodass eine Interessenabwägung aus diesem Grund nicht stattfinden konnte.

Insgesamt konnte der Beklagte nicht ausreichend darlegen, weshalb er Tonaufzeichnungen zur berechtigten Verfolgung oder Abwehr eines Anspruchs benötigt (hätte). Die Revision des Beklagten wurde daher vom OGH zurückgewiesen.