OGH-Entscheidung vom 11.2.2019, 7 Ob 8/19f

Sachverhalt:

Die Antragsteller (eine Familie bestehend aus Elternpaar und zwei Kindern) begehrten die Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 382g EO gegen die Eltern des Familienvaters (Antragsgegner).

Das Verhältnis der Antragsgegner zu ihrem Sohn und ihrer Schwiegertochter war bereits seit Jahren angespannt. Insbesondere waren die Antragsgegner gegen die Beziehung ihres Sohnes zur Zweitantragstellerin. In diesem Zusammenhang kam es zu wüsten Beschimpfungen und Beleidigungen gegenüber ihrer Schwiegertochter, die sie als „österreichische Hure, Schlampe, dumme Hure“, beschimpften, deren Eltern als „unfreundliche Proleten-Eltern“ bezeichneten; weiters schimpften sie wiederholt über „ungebildete, kulturlose Österreicher, Scheiß Österreicher“. Aufgrund des Verhaltens der Antragsgegner brachen die Antragsteller ab dem Jahre 2009 den Kontakt ab.

Die Antragsgegner parkten zudem regelmäßig mit ihrem Auto in Sichtweite zur Wohnadresse der Antragsteller und auch der Arztpraxis des Erstantragstellers. Teilweise parkten sie dort stundenlang, beobachteten, filmten und fotografierten die Antragsteller. Sie kamen auch zum Zaun, während sich die Familie sich im Garten aufhielt. Der von den Antragstellern gewünschte Kontaktabbruch wurde seitens der Antragsgegner nicht akzeptiert.

Zumindest seit 2016 nahm die Intensität des Verhaltens der Antragsgegner zu. Sie beleuchteten mit Scheinwerferlicht den Wohnbereich der Antragsteller und richteten sich bei ihren Besuchen zumeist nach dem Stundenplan bzw der Freizeitgestaltung der Kinder, wobei sie diese insbesondere beim Nachhause kommen beobachten und teilweise im Schritttempo neben ihnen herfuhren.

Die Antragsgegner kamen wiederholt unangemeldet in die Arztpraxis/den Warteraum des Erstantragstellers. Als der Erstantragsteller seine Eltern aufforderte die Praxis zu verlassen, kam es auch zu Beschimpfungen vor anderen Patienten.

Überdies drohten die Antragsgegner damit, die Kinder nach der Schule abzuholen und nach Ungarn zu bringen, damit diese endlich ordentlich Ungarisch und Klavier lernen. Hierdurch waren die Antragsteller sehr in Unruhe versetzt.

Gegenüber dem Pflegschaftsgericht äußerten die minderjährigen Kinder, dass sie eine Kontaktaufnahme mit den Antragsgegnern nicht wünschen.

Entscheidung:

Das Erstgericht erließ – ohne Anhörung der Antragsgegner – die einstweilige Verfügung antragsgemäß. Es liege eine erhebliche Störung der Privatsphäre der Antragsteller („Stalking“) vor.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegner teilweise Folge, und wies – abgesehen vom Aufenthaltsverbots rund um den Wohnsitz der Antragsteller – sämtliche Anträge auf Erlassung von Kontaktverboten ab. Es sei nicht zu befürchten, dass die Antragsgegner in belästigender Art und Weise brieflich, telefonisch, per E-Mail oder gar durch Dritte Kontakt zu den Antragstellern suchten. Derartige Kontaktverbote würden bewirken, dass den Antragsgegnern, deren einziger Sohn der Erstantragsteller und deren einzige Enkel die Dritt- und Viertantragsteller sind, jegliche Interaktionsmöglichkeit genommen würde, weshalb die darauf gerichteten Sicherungsanträge abzuweisen seien.

Die Antragsteller bekämpften diese Entscheidung per Revisionsrekurs an den OGH. Der OGH gab dem Rechtsmittel Folge. Aus der Begründung:

§ 382g EO regelt den Anspruch auf Unterlassung von Eingriffen in die Privatsphäre. Zur Beurteilung, was zur Privatsphäre nach § 382g EO gehört wird insbesondere aus § 16 ABGB das jedermann angeborene Persönlichkeitsrecht auf Achtung seines Privatbereichs abgeleitet. Unerwünschte Kontaktaufnahmen als Kernfall des Stalkings können einen unzulässigen Eingriff in die Privatsphäre darstellen, sofern sie erheblich sind. Wenn die Kontaktaufnahmen in Art und Umfang eine Intensität erreichen, die den Rahmen des sozial Verträglichen sprengt, kann das Recht auf Privatsphäre verletzt sein. In die Abwägung sind insbesondere der Grund der Kontaktaufnahme und die Art der Kontakte einzubeziehen. Jedenfalls muss im Verhalten eine gewisse Beharrlichkeit zum Ausdruck kommen, wie sie dem Stalking begriffsimmanent ist.

Die Antragsgegner setzten solche Verhaltensweisen mit zunehmender Intensität und ohne nachvollziehbaren Grund womit eine gerade für die Kinder unerträgliche Situation geschaffen wurde.

Um ein Ausweichen des ‚Stalkers‘ auf andere, bisher noch nicht konkret eingesetzte Methoden, zu verhindern, kann im Einzelfall ein Verbot bisher noch nicht verwendeter, aber naheliegender Mittel zur Kontaktaufnahme zulässig sein. Je massiver und vielgestaltiger ein Antragsgegner bisher schon gegen den Antragsteller vorgegangen ist und je deutlicher die Gefahr weiterer Eingriffe unter Bedachtnahme auf die Intensität und Nachhaltigkeit von Verfolgungshandlungen zutage tritt, desto mehr sind breiter gefasste Verbote indiziert.

Die von den Antragstellern begehrten Verbote waren daher zur Gänze zu erlassen.