OGH-Entscheidung vom 19.11.2024, 4 Ob 161/24s

 

Sachverhalt:

Der Kläger ist die für Buch- und Medienwirtschaft zuständige Fachorganisation und die gesetzliche Branchenvertretung der Wirtschaftskammer Österreich.

Die Beklagte, deren Sitz in Deutschland ist, betreibt einen Onlineshop, in dem sie zahlreiche Artikel (wie auch Bücher) auch österreichischen Kunden anbietet und verkauft. In ihrem Shop bietet die Beklagte die Bücher zu den in Deutschland zulässigen Preisen an, die (nur) wegen der dort geringeren Umsatzsteuer (7 % statt 10 % in Österreich) unter dem für Österreich nach dem Buchpreisbindungsgesetz 2023 (im Folgenden: BPrBG) geltenden Mindestpreis liegen, diesen aber iSd § 7 Abs 1 BPrBG nicht um mehr als 5 % unterschreiten.

Der Kläger klagte auf Unterlassung. Der Beklagten solle es verboten werden, gegenüber österreichischen Letztverbrauchern preisgebundene Waren iSd § 2 BPrBG mit einem Preis anzukündigen, der unter dem für Österreich festgesetzten Mindestpreis liegt. Die Beklagte missachte das in § 7 Abs 2 BPrBG verankerte Verbot des Ankündigens von Rabatten auf preisgebundene Bücher.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht gab der Klage statt. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil.

Der OGH gab jedoch dem Beklagten recht und befand seine Revision für zulässig und berechtigt.

Nach § 7 Abs 1 BPrBG dürfen Letztverkäufer bei Veräußerung von Büchern an Letztverbraucher den festgesetzten Mindestpreis höchstens bis zu 5 % unterschreiten. Gem § 7 Abs 2 BPrBG dürfen Letztverkäufer eine Unterschreitung des Mindestpreises nicht ankündigen.

Nach § 9 BPrBG gelten ua Handlungen gegen § 7 Abs 2 BPrBG als Handlungen im Sinne des § 1 UWG. Mit dieser gesetzlichen Fiktion verfolgt der Gesetzgeber die Absicht, Verletzungen der dort genannten Bestimmungen als Verstöße gegen § 1 UWG zu behandeln, auch wenn der konkrete Sachverhalt nicht unter diese Bestimmung subsumiert werden kann. Bei Verstößen gegen das BPrBG kommt deshalb eine Einordnung in die lauterkeitsrechtliche Fallgruppe „Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch“ nicht in Betracht. Es kommt daher nicht auf die Vertretbarkeit der Rechtsansicht an; zu prüfen ist, ob ein Verstoß vorliegt.

Die Vorinstanzen sind zutreffend davon ausgegangen, dass bereits das bloße Anführen eines Preises im Onlineshop der Beklagten, der den nach § 4 BPrBG festgesetzten Mindestpreis (bis zu 5 %) unterschreitet, den Tatbestand des § 7 Abs 2 BPrBG erfüllt. Bereits mit der „bloßen“ Auszeichnung eines Buches mit einem Preis, der unter dem Mindestpreis liegt, wird das Unterschreiten des Mindestpreises iSd § 7 Abs 2 BPrBG „angekündigt“. Insbesondere im Onlinebereich können die einzelnen Angebote sehr leicht verglichen werden, sodass die Nichtanwendbarkeit des § 7 Abs 2 BPrBG bei „bloßer“ Nennung des günstigeren Preises den Gesetzeszweck gefährden würde. Bereits durch die bloße Nennung des günstigeren Preises für dasselbe Produkt tritt der Anlockeffekt ein, was aber gerade durch § 7 Abs 2 BPrBG verhindert werden soll. Das Handeln der Beklagten erfüllt daher den Tatbestand des § 7 Abs 2 BPrBG.

Allerdings kann sich die Beklagte auf § 20 ECG berufen. § 20 ECG setzt das Herkunftslandprinzip des Art 3 EC-RL um. Im koordinierten Bereich richten sich die rechtlichen Anforderungen an einen in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Diensteanbieter nach dem Recht dieses Staats. Der freie Verkehr der Dienste der Informationsgesellschaft aus einem anderen Mitgliedstaat darf nach § 20 Abs 2 ECG vorbehaltlich der §§ 21 bis 23 ECG nicht aufgrund inländischer Rechtsvorschriften eingeschränkt werden, die in den koordinierten Bereich fallen.

Die Beklagte zeigte zutreffend auf, dass § 7 Abs 2 BPrBG den koordinierten Bereich betrifft. Die Regel beschränkt nämlich die Werbemöglichkeiten von Buchhändlern. Nach der Judikatur des EuGH ist eine Werbetätigkeit untrennbarer akzessorischer Bestandteil der Dienstleistung des Online-Verkaufs, und fällt daher insgesamt in den koordinierten Bereich iSd EC-RL. Insbesondere aus der Sicht des Lauterkeitsrechts ist im Zusammenhang mit dem Herkunftslandprinzip darauf abzustellen, ob die Anwendung österreichischen Rechts zu strengeren Anforderungen führt als die Anwendung deutschen Rechts als dem Recht des Herkunftslandes.

Das deutsche BuchPG schreibt für den Verkauf an Letztabnehmer in Deutschland grundsätzlich Fixpreise vor, gestattet jedoch für bestimmte Abnehmergruppen Rabatte bis zu 15 %. Die Bewerbung der Rabatte ist – anders als in Österreich – nicht untersagt. Die Anwendung des österreichischen Werbeverbots für Rabatte würde damit zu strengeren Anforderungen für die Preiswerbung als die Anwendung deutschen Rechts führen, sodass sich die Beklagte bei den inkriminierten Ankündigungen auf das Herkunftslandprinzip berufen kann.

 

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