OGH-Entscheidung vom 24.10.2019, 4 Ob 85/19g

Sachverhalt:

Der Kläger ist der Fachverband für Buch- und Medienwirtschaft der Wirtschaftskammer Österreich.

Die Beklagte ist ein Unternehmen, dessen Unternehmensgegenstand der Vertrieb und die Vermarktung von Onlineportalen ist. Sie betreibt einen Onlineshop mit dem Namensbestandteil „Gutscheinwelt“. Dort veräußerte sie auch Geschenkgutscheine einer Buchhandelskette. Ein Gutschein im Nominalwert von 100 EUR konnte um 75 EUR gekauft werden, wobei auf eine 25%ige Ersparnis hingewiesen wurde.

Die Buchhandelskette verkauft auch Bücher, die der Buchpreisbindung unterliegen. Bei Verwendung des Geschenkgutscheins konnte ein tatsächlicher Rabatt von rund 21,5 % erzielt werden, da die Preise in den Buchhandlungen der Buchhandelskette (anders als im Onlineshop) geringfügig über den im Verzeichnis lieferbarer Bücher gelisteten Letztverkaufspreisen verkauft werden.

Der Kläger klagte auf Unterlassung und beantragte die Erlassung einer einstweiligen Verfügung.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung ohne Anhörung der Beklagten. Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss. Der OGH erachtete den Revisionsrekurs der Beklagten zwar für zulässig, aber nicht berechtigt. Aus der Begründung:

Das Buchpreisbindungsgesetz (BPrBG) gilt nach dessen § 1 für den Handel mit deutschsprachigen Büchern, E-Books und Musikalien. Es zielt auf eine Preisgestaltung ab, die auf die Stellung von Büchern als Kulturgut, die Interessen der Konsumenten an angemessenen Buchpreisen und die betriebswirtschaftlichen Gegebenheiten des Buchhandels Bedacht nimmt. Letztverkäufer dürfen bei Veräußerung von Waren im Sinne des § 1 an Letztverbraucher den nach § 3 festgesetzten Letztverkaufspreis höchstens bis zu 5 vH unterschreiten (§ 5 Abs 1 BPrBG) und dürfen die Unterschreitung im geschäftlichen Verkehr nicht ankündigen (Abs 2). Gemäß § 7 BPrBG gelten Handlungen gegen ua § 5 Abs 1 bis 3 BPrBG als Handlungen iSd § 1 UWG.

Die Beklagte bewirbt und veräußert selbst keine Waren, sie ist auch keine Buchhändlerin im gewerberechtlichen Sinn. Der OGH nahm jedoch eine Prüfung vor, ob das Geschäftsmodell der Beklagte wirtschaftlich betrachtet dem Verkauf von preisgeregelten Büchern gleichzuhalten ist.

Der OGH vertrat die Auffassung, dass bei der Auslegung von Preisbindungsgesetzen grundsätzlich von einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise auszugehen ist und weiters das zentrale Anliegen des BPrBG zu berücksichtigen ist, nämlich einen Preiswettbewerb zwischen Buchhändlern zum Schutz der Büchervielfalt und der Versorgung der Bevölkerung mit Büchern zu verhindern.

Nach der Rsp des OGH repräsentieren Waren- bzw Wertgutscheine ein Forderungsrecht gegen den Aussteller, Waren oder Leistungen aus dessen Sortiment im Gegenwert des verbrieften Nennwerts zu beziehen. Daran ändert sich nichts, wenn zwischen Warenhändler und Erwerber ein zweites Unternehmen (hier: die Beklagte) zwischengeschaltet wird, das die zur Einlösung bei einem bestimmten Warenhändler berechtigenden Gutscheine im eigenen Namen veräußert. Zwar tritt in diesem Fall die Beklagte nicht als Buchhändlerin auf, aus Sicht der Letztverbraucher repräsentieren aber die von ihr verbilligt abgegebenen Gutscheine auch preisgeregelte Bücher. Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise ist die Beklagte daher wertungsmäßig den vom BPrBG angesprochenen Letztverkäufern gleichzuhalten, sodass die hier einschlägigen Bestimmungen des BPrBG auch für das Geschäftsmodell der Beklagten analog anzuwenden sind.

Das Geschäftsmodell der Beklagten unterläuft den Gesetzeszweck des BPrBG, weil ein für preisgeregelte Bücher verpönter Preiswettbewerb ermöglicht wird. Die gewerbsmäßige Abgabe verbilligter Gutscheine zugunsten eines bestimmten Buchhändlers kann auch ohne dessen direkte Beteiligung eine große Anzahl von Kunden zu diesem umlenken, wobei einzige Motivation dafür der (gesetzlich verpönte) Preisvorteil ist. Dies kommt vor allem großen Anbietern zugute. Damit gefährdet auch das vorliegende Geschäftsmodell der Beklagten die Vielfalt des Buchmarkts, weil es kleine Anbieter aufgrund preislicher Erwägungen aus dem Markt drängen kann.

Daher bejahte der OGH in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen einen Verstoß der Beklagten gegen Bestimmungen des BPrBG.