BGH-Urteil vom 10.10.2024 – I ZR 108/22
Sachverhalt:
Die deutsche Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs klagte eine Drogeriemarktkette. Diese bot ein Desinfektionsmittel zum Verkauf an, bei dem es sich um ein Biozidprodukt im Sinne der Biozidverordnung handelt. Auf dem Etikett des Produkts befanden sich die Angaben: „Ökologisches Universal-Breitband Desinfektionsmittel“ sowie „Hautfreundlich – Bio – ohne Alkohol„.
Der BGH legte das Verfahren dem EuGH zur Vorabentscheidung vor. Wie HIER im Blog berichtet, befand der EuGH, dass die Angabe „hautfreundlich“ eine positive Konnotation hat und sie geeignet ist, die schädlichen Nebenwirkungen des fraglichen Produkts zu relativieren. „Hautfreundlich“ könne andeuten, dass dieses Produkt für die Haut sogar von Nutzen sein könnte. Eine solche Angabe ist demnach irreführend.
Entscheidung:
Der BGH hob das Berufungsurteil infolge des EuGH-Urteils nun auf. Die Angabe „Hautfreundlich“ zur Bezeichnung eines Desinfektionsmittels fällt als „ähnlicher Hinweis“ unter das Verbot des Art 72 Abs 3 Satz 2 der Biozidverordnung (Verordnung EU Nr. 528/2012 ). Dieses Verbot sieht vor, dass in der Werbung für Biozidprodukte ein solches Produkt nicht in einer Art und Weise dargestellt werden darf, die hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit irreführend ist. Werbung für ein Biozidprodukt darf auf keinen Fall die Angaben „Biozidprodukt mit niedrigem Risikopotenzial“, „ungiftig“, „unschädlich“, „natürlich“, „umweltfreundlich“, „tierfreundlich“ oder ähnliche Hinweise enthalten.
Der Klägerin stehe daher unter dem Gesichtspunkt des unlauteren Rechtsbruchs gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 1, § 3a dUWG ein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zu.
Die Angabe „Hautfreundlich“ hebt eine positive Eigenschaft des beworbenen Desinfektionsmittels hervor und ist dadurch geeignet, die Risiken des Biozidprodukts zu verharmlosen. Die Betonung der positiven Eigenschaft steht zudem im Widerspruch zu dem von der Biozidverordnung verfolgten Ziel, den Einsatz von Biozidprodukten zu minimieren.
Link zur Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 10.10.2024
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