OGH-Entscheidung vom 25.6.2024, 4 Ob 3/24f
Sachverhalt:
Die Klägerin ist die Inhaberin mehrerer Marken. Sie behauptete u.a. Markenrechtsverletzungen der Beklagten und klagte. Die Lizenznehmerin trat dem Verfahren als Nebenintervenientin iSd § 14 Abs 4 MSchG bei. Sie werde durch die Verletzungshandlungen der Beklagten laufend erheblich geschädigt.
Später nahm die Klägerin die Klage unter Anspruchsverzicht zurück. Das Erstgericht erklärte das Verfahren für beendet. Das Rekursgericht wies den Rekurs der Nebenintervenientin gegen diesen Beschluss zurück. Die Rekurswerberin sei eine einfache Nebenintervenientin und keine streitgenössische Nebenintervenientin (§ 20 iVm § 14 ZPO).
Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Nebenintervenientin.
Entscheidung:
Der OGH befand den Revisionsrekurs für zulässig, aber nicht berechtigt.
Die Nebenintervenientin meinte, sie sei als ausschließliche Lizenznehmerin die wirtschaftliche Eigentümerin der Marken, während die klagende Markeninhaberin lediglich formal Berechtigte bleibe und im Wesentlichen auf die Erzielung von Lizenzzahlungen beschränkt sei. Die Nebenintervenientin sei daher von der Rechtskraft des Urteils über die Verletzungsklage der Markeninhaberin erfasst.
Der OGH teilt diese Ansicht nicht. Das Subjekt des Markenschutzes ist der Markeninhaber. Der Lizenznehmer hat im Verletzungsverfahren wiederum nur eine vom Markeninhaber abgeleitete Aktivlegitimation: Gemäß § 14 Abs 3 MSchG kann der Lizenznehmer ein Verfahren wegen Verletzung einer Marke nur mit Zustimmung ihres Inhabers anhängig machen; der Inhaber einer ausschließlichen Lizenz auch dann, wenn der Inhaber der Marke nach ausdrücklicher Aufforderung nicht selbst innerhalb einer angemessenen Frist eine Verletzungsklage erhoben hat. Erst dadurch wird seine markenrechtliche Sachlegitimation begründet. Zuvor hat er gegen Dritte keine markenrechtlichen Ansprüche.
Gemäß § 14 Abs 4 MSchG kann jeder Lizenznehmer einer vom Inhaber der Marke erhobenen Verletzungsklage als Nebenintervenient beitreten. Das Interesse an der künftigen Geltendmachung eines eigenen Schadens in einem eigenen Verfahren begründet das rechtliche Interesse am Beitritt als Nebenintervenient. Nach dem Wortlaut des § 14 Abs 4 MSchG begründet das Interesse des Lizenznehmers an der Geltendmachung seines eigenen Schadens in einem eigenen Verfahren das rechtliche Interesse am Beitritt als „Nebenintervenient“. Ob eine einfache oder eine streitgenössische Nebenintervention gemeint ist, lässt der Wortlaut offen.
Gemäß § 20 ZPO („streitgenössischer Nebenintervenient“) hat ein Nebenintervenient die Stellung eines Streitgenossen einer einheitlichen Streitpartei (§ 14 ZPO), wenn das Urteil entweder kraft der Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses oder kraft gesetzlicher Vorschrift auch zwischen dem Nebenintervenienten und dem Gegner der unterstützten Partei rechtlich wirksam ist. Die Rechtsprechung fordert eine unmittelbare Rechtsgestaltungswirkung des Urteils auch für den Nebenintervenienten, eine Rechtskrafterstreckung auf den Nebenintervenienten, die Vollstreckbarkeit des Urteils auch gegenüber dem Nebenintervenienten oder eine Tatbestandswirkung des Urteils für das Rechtsverhältnis zwischen dem Nebenintervenienten und dem Gegner der unterstützten Partei.
Die systematische Interpretation spricht dafür, dass § 14 Abs 4 MSchG eine einfache und keine streitgenössische Nebenintervention regelt: Anders als § 114a Abs 1 PatG (für das Verfahren vor der Nichtigkeitsabteilung des Patentamts) sieht § 14 Abs 4 MSchG gerade nicht vor, dass der Nebenintervenient jedenfalls „die Stellung eines Streitgenossen (§ 14 ZPO)“ hätte. Auch die subjektiv-teleologische (historische) Interpretation die objektiv-teleologische Interpretation führen zu diesem Ergebnis.
§ 14 Abs 4 MSchG ist auch nicht als besondere Regelung einer streitgenössischen Nebenintervention anzusehen: § 14 Abs 4 MSchG soll dem Nebenintervenienten in Fällen, in denen er (noch) nicht selbst aus dem Markenrecht aktivlegitimiert ist, die Aktivlegitimation für die Geltendmachung eigener Schäden in einem Folgeverfahren verschaffen und gleichzeitig aus seiner Sicht verhindern, dass der Gegner der unterstützten Partei im Folgeprozess rechtsvernichtende oder -hemmende Einreden erhebt, die notwendigen Elementen der Entscheidung im vom Markeninhaber geführten Verletzungsverfahren widersprechen. Anhaltspunkte dafür, dass § 14 Abs 4 MSchG darüber hinaus eine Rechtskrafterstreckung auf den Nebenintervenienten vorsehen würde (oder eine solche voraussetzen würde), sind nicht ersichtlich.
Der OGH kam daher zum Ergebnis, dass eine auf § 14 Abs 4 MSchG gestützte Nebenintervention eine einfache und keine streitgenössische Nebenintervention ist.
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