OGH-Entscheidung vom 19.3.2024, 4 Ob 185/23v

 

Sachverhalt:

Die Beklagte ist Inhaberin des folgenden Europäischen Gemeinschaftsgeschmacksmusters:

Die Klägerin vertrieb die folgenden Schutzhüllen für Trinkflaschen über Amazon:

Amazon bietet Händlern im Rahmen eines Beschwerdemanagements die Möglichkeit, mit Hilfe eines standardisierten Formulars etwaige Verletzungen von gewerblichen Schutzrechten zu melden. Die Beklagte beschwerte sich so bei Amazon über die Produkte der Klägerin. Diese würden denselben Gesamteindruck wie das eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster erwecken. Das Produkt würde offenkundig die Designrechte der Beklagten verletzen. Die Produkte sollen daher von der Verkaufsplattform entfernt werden. Infolge der Beschwerde sperrte Amazon die Klägerin noch am selben Tag.

Die Klägerin begehrte von der Beklagten die Unterlassung und den Widerruf dieser Behauptungen sowie und 2.000 EUR Schadenersatz. Sie stützte sich auf §§ 1 und 7 UWG.

 

Entscheidung:

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren mit der Begründung ab, die Behauptungen der Beklagten seien das subjektive Ergebnis eines Vergleichs der Produkte der beiden Parteien und damit ein Werturteil, das keine Ansprüche nach § 7 UWG begründe. Ein nach § 1 Abs 1 Z 1 UWG relevanter Wertungsexzess liege nicht vor.

Der OGH wies die außerordentliche Revision der Klägerin zurück.

§ 7 UWG erfasst jede (unwahre) Tatsachenbehauptung über geschäftliche Verhältnisse, die zu einem Schaden für den Kredit oder den Betrieb des davon Betroffenen führen kann. Ein Werturteil – also eine Äußerung, die sich als Ausdruck der subjektiven Meinung darstellt – begründet keinen Anspruch nach § 7 UWG.

Dennoch dürfen Werturteile nicht schrankenlos öffentlich verbreitet werden: Das Überschreiten der Grenzen zulässiger Kritik durch einen massiven Wertungsexzess erfüllt den Tatbestand des § 1 Abs 1 Z 1 UWG (siehe DIESEN Blog-Beitrag).

In der verlinkten Entscheidung befasste sich der OGH ausführlich mit der Behauptung gegenüber einem Dritten, ein Mitbewerber verletze Immaterialgüterrechte. Dort hielt der OGH fest: Die Behauptung, der Kläger verletze Musterrechte des Beklagten, weil er diesem verwechselbar ähnliche Produkte vertreibe, hat den objektiv überprüfbaren Tatsachenkern, dass der Beklagte das fragliche Schutzrecht hat und der Kläger Produkte vertreibt, die ihm nicht offenkundig unähnlich sind. Darüber hinaus liegt ein Werturteil in Form einer rechtlichen Schlussfolgerung vor, vergleichbar einer Rechtsfolgenbehauptung, die nicht einfach aus dem Gesetz abzulesen ist, sondern auf einem Vorgang der persönlichen Erkenntnisgewinnung beruht.

 

Link zur Entscheidung

 

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