OGH-Entscheidung vom 31.5.2023, 4 Ob 21/23a

 

Sachverhalt:

Die Klägerin ist Inhaberin eines TV-Senders, eines Mediendienstes und einer Website. Die Klägerin strahlte eine Sendung mit einer Durchschnittsreichweite von 300 Zusehern und in der Zielgruppe 12–49 Jahre eine Durchschnittsreichweite von null Zusehern aus. Auf der Webseite der Klägerin konnte die Sendung als Livestream mitverfolgt werden. Wie viele Personen die Sendung dort sahen, konnte nicht festgestellt werden. Die Sendung war auch auf Abruf verfügbar.

Die Beklagte ist Medieninhaberin von Tageszeitungen und veröffentlichte zwei Tage später in ihren Tageszeitungen einen Beitrag über diese Sendung, der auszugsweise wie folgt lautete:

Quoten-Flop für …

Peinlicher Start für TV-Talk

Nur 300 Zuseher Durchschnittsreichweite

In der werberelevanten Zielgruppe der 12- bis 49-jährigen weist Teletest … auf [dem Sender der Klägerin] sogar 0 Zuseher aus.

Die Klägerin klagte folglich auf Unterlassung. Die Beklagte habe bewusst nur die lineare Reichweite herangezogen, nicht aber die Abrufe über den Internet-Stream. Die falsche Tatsachenbehauptung der Beklagten verwirkliche den Tatbestand des § 7 Abs 1 UWG. Darüber hinaus liege eine sonstige unlautere Handlung nach § 1 Abs 1 Z 1 UWG vor.

 

Entscheidung:

Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Der maßgebliche Durchschnittsleser beziehe die beanstandete Aussage nur auf die lineare (terrestrische, kabel- oder satellitengebundene) Übertragung, nicht aber auf etwaige Internetnutzungen.

Der OGH wies die außerordentliche Revision der Klägerin zurück. Ankündigungen dürfen nicht zergliedernd betrachtet werden; vielmehr muss darauf abgestellt werden, welchen Gesamteindruck der Durchschnittsinteressent bei flüchtiger Betrachtung erhält.

Nach § 7 UWG trägt der Beklagte die Beweislast für die Wahrheit seiner Mitteilung. Der Wahrheitsbeweis ist schon dann als erbracht anzusehen, wenn er den Inhalt der Mitteilung im Wesentlichen bestätigt. Im vorliegenden Fall lautet die beanstandete Werbemitteilung der Beklagten dahin, dass der TV-Sender der Klägerin laut Teletest eine bestimmte Anzahl von Zusehern gehabt habe. Der von einer dritten Organisation erstellte Teletest umfasst ausschließlich die lineare Übertragung. Andere Übertragungsarten wie etwa Internetstreaming werden von diesem Test nicht umfasst. Von welcher Anzahl an Zusehern die Sendung allenfalls über Live-Streaming verfolgt wurde, ist auch nicht bekannt.

Der OGH stimmte daher den Vorinstanzen zu, die auf Basis dieser Sachlage das Vorliegen einer unwahren Tatsachenbehauptung vertretbar verneinten. Die Beklagte bezog sich in der beanstandeten Äußerung ausdrücklich auf den Teletest, der keine anderen als lineare Übertragungen misst. Somit ist die beanstandete Äußerung prima vista wahr. Aufrufzahlen über das Live-Streaming waren nicht greifbar und dem Durchschnittsleser sei ohnehin bekannt ist, dass Sendungen später vielfach „on demand“ verfügbar sind. Der Leser ist in der Lage, zwischen Zuschauerzahlen laut „Teletest“ und Aufrufzahlen eines Abrufdienstes zu unterscheiden.

 

 

Link zum Entscheidungstext

 

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