OGH-Entscheidung vom 29.3.2022, 4 Ob 44/22g
Sachverhalt:
Die klagende Partei ist eine international tätige Rechtsanwaltskanzlei mit Sitz in Wien. Sie betreibt ihre Website unter einer Domain, die aus den Nachnamen zweier Gründungspartner besteht.
Die Beklagte hat ihren Sitz in Frankreich und ist als Vergabestelle (Registrar) für Domains tätig. Bei ihr wurden von einem Dritten mehrere Domains registriert, die dieselben Nachnamen enthielten. Mit der Registrierung wurden auch E-Mail-Dienste abonniert, wodurch E-Mails mit der jeweiligen Domain-Kennung versendet werden konnten. Der Dritte verwendete die Domains zur Begehung von Straftaten, indem er unter Verwendung der Domain-Kennungen mehrere Betrugsversuche per Mail unternahm, wobei die Mails vermeintlich von einem Rechtsanwalt der Klägerin stammten.
Die Klägerin informierte den Missbrauchsdienst (Abuse-Team) der Beklagten von den Vorfällen. Die Klägerin forderte die Löschung der verwendeten Domains, weil diese verwendet wurden, um Phishing-Angriffe auf Kunden bzw Betrugshandlungen durchzuführen. Weiters forderte die Klägerin die Beklagte auf, die Registrierung von allen weiteren Domains zu unterlassen, die die hier maßgeblichen Nachnamen in jeder Form der Schreibweise enthalten.
Die Klägerin stützt ihren Unterlassungsanspruch vorrangig auf Verletzungen ihres Namensrechts nach § 43 ABGB bzw auf unbefugten Firmengebrauch nach § 37 UGB. Die Kombination der Nachnamen sei einzigartig, niemand anderes als die Klägerin könne daher ein berechtigtes Interesse an der Verwendung haben.
Entscheidung:
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin jedoch teilweise Folge und änderte die Entscheidung dahin ab, dass es der Klage im Wesentlichen stattgab. Der OGH befand die Revision der Beklagten zur Klarstellung der Rechtslage für zulässig, aber nicht berechtigt.
Das Berufungsgericht ging davon aus, dass durch die Registrierung der Domains und deren Verwendung für mehrere Betrugsversuche das Namensrecht der Klägerin in missbräuchlicher Weise verletzt wurde. Strittig war nur, ob diese Rechtsverletzungen auch ihr gegenüber (als Registrar) geltend gemacht werden können. Der OGH führte hierzu aus, dass ein Unterlassungsanspruch ist auch dann zu bejahen, wenn die Störungshandlung zwar nicht vom Beklagten selbst, aber doch von ihm direkt veranlasst wurde, indem er durch Handlungen oder Unterlassungen die Voraussetzung dafür schuf, dass der Dritte die Störung begehen konnte.
Der aus dem Namensrecht abgeleitete Unterlassungsanspruch richtet sich auch gegen Mittäter und Gehilfen des eigentlichen Störers, die den Verstoß gegen das Namensrecht durch eigenes Verhalten gefördert oder überhaupt erst ermöglicht haben. Ebenso wie im Lauterkeitsrecht, wo auch derjenige, der den Wettbewerbsverstoß eines Anderen durch eigenes Verhalten gefördert oder ermöglicht hat, für das wettbewerbswidrige Verhalten des unmittelbaren Täters (Störers) einzustehen hat. Dabei ist erforderlich, dass dem Beklagten die Störungshandlung, deren Förderung ihm vorgeworfen wird, in tatsächlicher Hinsicht bekannt war oder diesbezüglich eine Prüfungspflicht auf allfällige Verstöße bestand („kennen müssen“).
Demnach haftet eine Domain-Namensverwalterin für das rechtswidrige Verhalten des unmittelbaren Täters dann, wenn der Verletzte unter Darlegung der Geschehnisse ein Einschreiten verlangt und die Rechtsverletzung auch für einen juristischen Laien ohne weitere Nachforschungen offenkundig ist. In einem solchen Fall ist es der Vergabestelle auch zumutbar, Maßnahmen zur Verhinderung einer Fortsetzung der Rechtsverletzung vorzunehmen. Es bestehen auch technische Mittel, um die Registrierung bestimmter Domain-Namen bereits kurze Zeit nach der Registrierung zu erkennen (Domain-Alarm Reporting). Hingegen kann der Vergabestelle eine allgemeine Prüfungspflicht nicht zugemutet werden.
Im vorliegenden Fall hatte die Beklagte ungeachtet der mehrfachen Hinweise der Klägerin keine Prüfungen vorgenommen, ob weitere Registrierungen mit den entsprechenden Namen vorgenommen wurden. Die groben Verstöße hätten der Beklagten auffallen müssen, da keinerlei Bezug zwischen Anmelder und den Namen oder der at-Kennung ersichtlich war und die Namenskombination unstrittig außergewöhnlich ist. Eine Prüfpflicht im Zusammenhang mit weiteren Registrierungen einer Domain unter kombinierter Verwendung der streitgegenständlichen Namen wurde vom Berufungsgericht daher zu Recht bejaht; folglich auch der Unterlassungsanspruch.
Das Mehrbegehen der Klägerin, wonach auch „ähnliche Domains“ nicht mehr registriert werden dürfen, wurde jedoch abgewiesen. Grundlage des Unterlassungsbegehrens seien Eingriffe in das Namensrecht der Klägerin durch Verwendung der einzigartigen Kombination der Namen der Gründungspartner. Das Verbot würde sonst auch abseits der bisherigen Verstöße auch „ähnliche Domains“ umfassen, die die Namen der Klägerin aber gerade nicht enthalten müssten.
Weitere Blog-Beiträge zum Domain- und Namensrecht:
Domainrecht (Deutschland): BGH zur (Un)Zulässigkeit sogenannter „Tippfehler-Domains“
Neue Domainjudikatur zur internationalen Zuständigkeit österreichischer Gerichte