OGH-Entscheidung vom 20.12.2016, 4 Ob 45/16w

Sachverhalt:

Die Klägerin, eine kalifornische Aktiengesellschaft, ist Inhaberin dreier Unionsmarken.

Der in Deutschland wohnhafte Beklagte ließ sich wortgleiche Domains für Österreich (.at) und die Schweiz (.ch) registrieren, ohne aber unter diesen Domains Inhalte zu veröffentlichen.

Die Klägerin beantragte die Übertragung der beiden auf den Beklagten registrierten Domains, in eventu ihre Löschung, sowie als weiteres Eventualbegehren die Unterlassung ihrer Verwendung. Der Beklagte habe unter diesen beiden Domains nie Inhalte veröffentlicht, sondern stets beabsichtigt, sie zu einem sehr hohen Preis an die Klägerin zu verkaufen. Die Klägerin stützte ihre Ansprüche auf die Verletzung ihrer Unionsmarken nach Art 9 Abs 1 lit c UMV sowie auf Behinderungswettbewerb nach dem UWG.

Entscheidung:

Das Erstgericht wies die Klage mangels inländischer Gerichtsbarkeit zurück.

Das Rekursgericht verwarf die Einrede der mangelnden internationalen Zuständigkeit. Zwar reiche Registrierung der Domain in Österreich nicht dafür aus, die Verletzung der Gemeinschaftsmarken abzuleiten. Aber es bestehe hinsichtlich des Behinderungswettbewerbs eine Zuständigkeit nach der EuGVVO, da die beiden hier strittigen Domains objektiv (zumindest auch) auf den österreichischen Markt ausgerichtet seien und die diesbezügliche internationale Zuständigkeit des Erstgerichts nicht zweifelhaft sei.

Der OGH hielt den Revisionsrekurs der Beklagten für teilweise berechtigt.

Bereits zuvor hatte der EuGH festgehalten, dass der in Art 93 Abs 5 GMV aF (entspricht Art 97 Abs 5 UMV) enthaltene Begriff des Orts der Verletzungshandlung nicht analog zu dem in Art 5 Nr 3 EuGVVO verwendeten Begriff des Orts, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, auszulegen ist. Der Anknüpfungspunkt der Verletzungshandlung stellt auf ein aktives Verhalten des Verletzers ab. Daher stellt der Anknüpfungspunkt auf den Mitgliedstaat ab, in dem sich der Vorfall, der der behaupteten Verletzung zugrunde liegt, ereignet hat oder zu ereignen droht, und nicht auf den Mitgliedstaat, in dem diese Verletzung ihre Wirkungen entfaltet. Begründet somit Art 97 Abs 5 UMV nur eine Zuständigkeit am Handlungsort, nicht aber am Erfolgsort, folgt daraus für die .ch-Domain, dass diesbezüglich keine internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts besteht, weil der Handlungsort für die beanstandete Registrierung dieser Domain jedenfalls nicht in Österreich gelegen ist, zumal weder der Ort, von dem aus die Registrierung eingeleitet wurde – hier wohl der Wohnsitz des Beklagten –, noch die Registrierungsstelle in Österreich liegt.

In Bezug auf die .at-Domain liegt zwar die Registrierungsstelle in Österreich, dies begründet aber im konkreten Fall keinen Handlungsort iSv Art 97 Abs 5 UMV. Der EuGH hat nämlich im Zusammenhang mit der Verletzung von Urheber- und verwandten Schutzrechten bereits ausgesprochen, dass bei Internetsachverhalten als Handlung das Auslösen des technischen Vorgangs anzusehen ist. Es ist daher auch bezüglich der .at-Domain von einem Handlungsort am Wohnsitz des Beklagten (Deutschland) auszugehen.

Zusammenfassend besteht daher in Bezug auf beide klagsgegenständliche Internet-Domains kein Handlungsort im Inland. Der OGH wies die Klage daher zurück, soweit sie sich auf die Verletzung der Unionsmarken der Klägerin stützte.

Im Hinblick auf die lauterkeitsrechtlichen Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche kam der OGH zu folgendem Ergebnis: Da der Beklagte in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, könnte sich die Zuständigkeit österreichischer Gerichte nur daraus ergeben, dass die Registrierung der strittigen Domains auf dem österreichischen Markt einen Schaden der Klägerin verursacht. An der Auswirkung der Registrierung beider Domains (auch) auf den österreichischen Markt zweifelte der OGH nicht. Durch die Registrierung sei es der Klägerin nicht möglich, unter diesen Domains auf dem österreichischen Markt tätig zu werden. Damit war für die hier zu prüfenden lauterkeitsrechtlichen Ansprüche die österreichische Zuständigkeit grundsätzlich zu bejahen. Fraglich ist jedoch, wie sich die Beschränkung auf den im Inland erlittenen Schaden auf die Reichweite der Zuständigkeit für die hier strittigen Ansprüche auf Übertragung, Löschung und Unterlassen der Nutzung der Domains auswirkt.

Hinsichtlich der Ansprüche auf Übertragung (hilfsweise Löschung) sah der OGH die Zuständigkeit des österreichischen Erfolgsortgerichts nur für die .at-Domain, nicht jedoch für diese Ansprüche in Bezug auf die .ch-Domain als gegeben an. Letztere könnten nur am Sitz des Beklagten in Deutschland und allenfalls nach Art 5 Nr 3 LGVÜ in der Schweiz geltend gemacht werden.

Der Unterlassungsanspruch hingegen, kann auf die Abrufbarkeit einer Website in einem bestimmten Staat beschränkt werden. Insofern bezieht er sich – unabhängig vom Ort der Registrierung der Domain – auf den Schaden, der in diesem Staat eintritt oder einzutreten droht. Ein auf den Gerichtsstaat beschränktes Unterlassungsbegehren fällt daher unter die Kognition jedes Gerichts, in dessen Sprengel sich nach dem Vorbringen des Klägers die (beabsichtigte) Nutzung auswirkt. Hingegen besteht bei bloßer Erfolgsortzuständigkeit nach der Rechtsprechung des EuGH keine Möglichkeit, dem Beklagten auch das Unterlassen der Domainnutzung außerhalb des Gerichtsstaats aufzutragen.