EuGH-Urteil vom 13.11.2025, Rechtssache C‑563/24

 

Sachverhalt:

Der Verband Sozialer Wettbewerb, ein deutscher Verein zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, klagte ein Unternehmen wegen der Vermarktung eines alkoholfreien Getränks unter der Bezeichnung „Virgin Gin Alkoholfrei“. Der Verband machte geltend, dass diese Bezeichnung gegen die Verordnung über Spirituosen verstoße, da nach Anhang I Nummer 20 der Verordnung 2019/787 Gin durch Aromatisieren von Ethylalkohol landwirtschaftlichen Ursprungs mit Wacholderbeeren hergestellt sein und einen Mindestalkoholgehalt von 37,5 Volumenprozent aufweisen müsse. Diese Anforderungen erfülle das alkoholfreie Getränk der Beklagten nicht, weshalb die Verwendung der Bezeichnung „Gin“ unzulässig sei.

Die Beklagte verteidigte sich mit dem Argument, dass für jeden Verbraucher offensichtlich sei, dass das Produkt keinen Alkohol enthalte, weshalb keine Irreführung vorliege.

Das Landgericht Potsdam legte das Verfahren dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.

 

Entscheidung:

Der EuGH entschied, dass Art. 10 Abs. 7 der VO 2019/787 die Verwendung der Bezeichnung „alkoholfreier Gin“ bei der Aufmachung und Kennzeichnung eines alkoholfreien Getränks verbietet. Diese Auslegung ergebe sich bereits aus dem klaren Wortlaut der Bestimmung, wonach rechtlich vorgeschriebene Bezeichnungen wie „Gin“ nicht für Getränke verwendet werden dürfen, die die Anforderungen für die betreffende Kategorie nicht erfüllen.

Laut EuGH ist unerheblich, dass die Bezeichnung „Gin“ mit dem Zusatz „alkoholfrei“ versehen werde. Das Verbot gelte nämlich auch für Begriffe, die verwendet würden, um die Verwechslung mit der Spirituose zu vermeiden. Die Verordnung bestimme ausdrücklich, dass das Verbot auch dann gelte, wenn rechtlich vorgeschriebene Bezeichnungen in Verbindung mit Wörtern wie „Art“, „Typ“, „Fasson“, „Stil“, „Geschmack“ oder anderen ähnlichen Begriffen verwendet würden.

Der Gerichtshof bestätigte ferner die Gültigkeit von Art. 10 Abs. 7 im Hinblick auf die unternehmerische Freiheit. Das Verbot stelle keinen unzulässigen Eingriff dar, da es nur die Verwendung geschützter Bezeichnungen betreffe und nicht die Herstellung oder den Vertrieb alternativer alkoholfreier Produkte. Zudem verfolge der Gesetzgeber legitime Ziele, insbesondere den Schutz der Verbraucher vor Irreführung, die Sicherung lauterer Wettbewerbsbedingungen und den Erhalt des Ansehens traditioneller Spirituosenkategorien. Das Verbot sei geeignet und erforderlich, um diese Ziele zu erreichen. Auch ein klarer Hinweis wie „alkoholfrei“ beseitige nicht die Gefahr, dass Verbraucher aufgrund der Bezeichnung falsche Vorstellungen über die Zusammensetzung und die Herstellung des Produkts entwickeln könnten.

Der EuGH gelangt daher zu dem Ergebnis, dass die Bezeichnung „alkoholfreier Gin“ unionsrechtlich unzulässig ist und dass Art. 10 Abs. 7 der Verordnung 2019/787 mit Art. 16 der Charta vereinbar bleibt.

 

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