EuGH-Urteil vom 4.10.2024, Rechtssache C‑438/23
Sachverhalt:
Die französische Regierung erließ ein Dekret, das die Transparenz der Informationen über Lebensmittel im Handel schützen sollte und es untersagte, Bezeichnungen wie „Steak“ oder „Wurst“ zur Bezeichnung von Verarbeitungserzeugnissen zu verwenden, die pflanzliche Eiweiße enthalten. Dies mit oder ohne ergänzenden Klarstellungen wie „pflanzlich“ oder „aus Soja“.
Vier Unternehmen/Vereinigungen, die im Sektor vegetarischer und veganer Erzeugnisse tätig sind, wandten sich gegen dieses Dekret, da es gegen die Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV), VO (EU) Nr. 1169/20112, verstoße. Die Kläger beantragten beim französischen Staatsrat die Nichtigerklärung des Dekrets. Der Fall wurde dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Entscheidung:
Der EuGH hielt fest, dass das Unionsrecht eine widerlegbare Vermutung aufstellt, wonach die Informationen, die im Einklang mit der LMIV erteilt werden, die Verbraucher hinreichend schützen. Dies auch im Fall der vollständigen Ersetzung eines Bestandteils oder Zutat, von dem die Verbraucher erwarten dürfen, dass er in einem Lebensmittel vorhanden ist.
Hat ein Mitgliedstaat keine rechtlich vorgeschriebene Bezeichnung eingeführt, darf er die Hersteller von Lebensmitteln auf der Basis pflanzlicher Eiweiße nicht durch ein allgemeines, abstraktes Verbot daran hindern, durch die Verwendung verkehrsüblicher oder beschreibender Bezeichnungen der Verpflichtung nachzukommen, diese Lebensmittel zu bezeichnen. Allerdings kann eine nationale Behörde rechtlich gegen Lebensmittelunternehmer vorgehen, wenn sie der Auffassung ist, dass die Verkaufsmodalitäten oder Bewerbung eines Lebensmittels für Verbraucher irreführend sind.
Art 17 Abs 1 der LMIV sieht vor, dass ein Lebensmittel mit seiner „rechtlich vorgeschriebenen Bezeichnung“ bezeichnet werden muss. Fehlt eine solche, wird das Lebensmittel mit seiner „verkehrsüblichen Bezeichnung“ oder, falls es auch die nicht gibt oder nicht verwendet wird, mit einer „beschreibenden Bezeichnung“ benannt. Ein Mitgliedstaat kann nicht allgemein verbieten, für Fleischprodukte übliche Begriffe für pflanzenbasierte Produkte zu verwenden, wenn er keine „rechtlich vorgeschriebene Bezeichnung“ eingeführt hat.
Der EuGH wies zudem darauf hin, dass die im Unionsrecht vorgesehene ausdrückliche Harmonisierung einen Mitgliedstaat daran hindert, eine nationale Maßnahme zu erlassen, mit der ein Anteil an pflanzlichen Eiweißen festgelegt wird, unterhalb dessen die Verwendung anderer als rechtlich vorgeschriebener Bezeichnungen, die aus Begriffen der Fleischerei- und Metzgereibranche bestehen, zur Beschreibung, Vermarktung oder Förderung des Absatzes von Lebensmitteln, die pflanzliche Eiweiße enthalten, zulässig bleibt.
Die Regelung des Art 17 Abs 5 iVm Anh VI Nr. 4 LMIV seien grundsätzlich für eine Aufklärung ausreichend: Im Falle von Lebensmitteln, bei denen ein Bestandteil/Zutat, von dem Verbraucher erwarten, dass er normalerweise verwendet wird oder von Natur aus vorhanden ist, durch einen anderen Bestandteil oder eine andere Zutat ersetzt wurde, muss die Kennzeichnung — zusätzlich zum Zutatenverzeichnis — mit einer deutlichen Angabe des Bestandteils oder der Zutat versehen sein, der/die für die teilweise oder vollständige Ersetzung verwendet wurde, und zwar in unmittelbarer Nähe des Produktnamens in 75% von dessen Schriftgröße.
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