OGH-Entscheidung vom 20.12.2023, 4 Ob 182/22a

 

Sachverhalt:

In einem Supermarkt wurde unter einer Eigenmarke Eierlikör mit der Bezeichnung „CREME EIERLIKÖR“ verkauft. Der Eierlikör enthielt Milch (was nach der Spirituosen-VO an sich zulässig ist) und war mit der Zusatzbezeichnung „Creme“ anstatt der nur noch zulässigen Zusatzbezeichnung „Cream“ versehen. Ein Hinweis auf die enthaltene Milch fand sich auf der Rückseite der Flasche.

Die Klägerin sah in der Gestaltung bzw. Beschriftung der Etikettierung einen Verstoß gegen die VO (EU) 2019/787 („Spirituosen-VO“) sowie gegen §§ 1 und 2 UWG und beantragte die Erlassung einer einstweiligen Verfügung.

 

Entscheidung:

Der Antrag der Klägerin wurde abgewiesen. Der OGH wies den Revisionsrekurs der Klägerin zurück.

Voraussetzung eines Anspruchs nach § 1 UWG ist die „Spürbarkeit“ eines Verstoßes durch eine nicht unerhebliche Nachfrageverlagerung. Das Rekursgericht befand, dass der beanstandete Eierlikör prominent die vorgesehene und auch zulässige Bezeichnung „Eierlikör“ trägt und es sich bei der beanstandeten Bezeichnung als „Creme“ nur um eine zusätzliche Bezeichnung handelt. Zudem wird auf dem Etikett der Flaschenrückseite ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Produkt Milch enthält. Unter diesen Voraussetzungen hielt es das Rekursgericht für ausgeschlossen, dass die zusätzliche vorangestellte Bezeichnung „Creme“ dazu geeignet ist, den Wettbewerb nicht nur unerheblich zum Nachteil von Unternehmen, die für ihre milchhaltigen Eierliköre den zulässigen Terminus „Cream“ verwendeten, zu beeinflussen. Der OGH beanstandete diese Entscheidung nicht.

Im vorliegenden Einzelfall verschleiert die prominente und prägende Kennzeichnung als „Eierlikör“ den wahren Sachverhalt (in Ansehung des Inhaltsstoffes Milch) gerade nicht. Dasselbe gilt für den vorangestellten Zusatz „Creme“, der nicht nahelegt, es handle sich zB um eine (zB Frucht-)„-creme“ iSd Anh I Z 34 Spirituosen-VO, oder etwas anderes als um einen Bezug auf eine cremige Konsistenz des Eierlikörs.

Dass Verletzungen der Spirituosen-VO mit Verwaltungsstrafen bedroht sind, ist kein zwingendes Argument für die Eignung zur Beeinflussung des Wettbewerbs, sondern legt geradenahe, dass auch die Eignungsschwelle nicht übersteigende Verletzungen geahndet werden können.

Beim Irreführungstatbestand des § 2 UWG ist zu prüfen, (a) wie ein durchschnittlich informierter und verständiger Interessent für das Produkt, der eine dem Erwerb solcher Produkte angemessene Aufmerksamkeit aufwendet, die strittige Ankündigung versteht, (b) ob dieses Verständnis den Tatsachen entspricht, und ob (c) eine nach diesem Kriterium unrichtige Angabe geeignet ist, den Kaufinteressenten zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er sonst nicht getroffen hätte.

Zu den wesentlichen Merkmalen eines Produkts, die im Fall unrichtiger Angaben oder sonstiger Täuschungseignung den Tatbestand der irreführenden Geschäftspraktik (§ 2 Abs 1 Z 2 UWG) erfüllen können, zählt auch dessen Zusammensetzung; dazu zählen nicht nur Angaben zur Zusammensetzung einer Ware, wie zB das Zutatenverzeichnis, sondern auch und gerade die Bezeichnung einer Ware. In der Frage des Verständnisses der angesprochenen Verkehrskreise von Produkt- oder Verpackungsaufschriften, die einen Irrtum ausschließen sollen, ist auf den Grad der dem Anlass angemessenen Aufmerksamkeit des durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers abzustellen. Lässt eine Etikettierung den Eindruck entstehen, dass ein Lebensmittel eine Zutat enthält, die tatsächlich nicht darin vorhanden ist, ist eine solche Etikettierung dazu geeignet, den Käufer über die Eigenschaften des Lebensmittels irrezuführen. In solchen Fällen ist zu prüfen, ob ein normal informierter und vernünftig aufmerksamer und kritischer Verbraucher über das Vorhandensein von bestimmten Zutaten irregeführt werden kann.

Das Rekursgericht vertrat die Auffassung, dass sich kein Durchschnittsverbraucher zu einer Kaufentscheidung den gegenständlichen Eierlikör betreffend hinreißen ließe, weil er nicht als „Cream Eierlikör“ bzw schlicht als „Eierlikör“ bezeichnet sei. Der Durchschnittskonsument werde nicht allein aufgrund der Zusatzbezeichnung als „Creme“ davon ausgehen, dass der Eierlikör keine Milch enthalte. Die angesprochenen Verkehrskreise werden die unterschiedlichen Vorgaben der nach der Spirituosen-VO zulässigen Zutaten bei Likören zumeist gar nicht kennen. Insgesamt wird keine falsche Produktvorstellung ausgelöst. Der OGH wies den Revisionsrekurs daher zurück.

 

 

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