EuGH-Urteil vom 11.11.2021 in der Rechtssache C‑388/20

 

Sachverhalt:

Das deutsche Lebensmittelunternehmen Dr. Oetker produziert und vertreibt ein Müsli unter der Bezeichnung „Dr. Oetker Vitalis Knuspermüsli Schoko+Keks“. Auf der Vorderseite der Verpackung sind die Nährwertangaben (Angaben zum Brennwert und zu den Mengen an Fett, gesättigten Fettsäuren, Zucker und Salz) angegeben, wobei sich diese Angaben ausschließlich auf die Portion des zubereiteten Lebensmittels beziehen (in diesem Fall eine 40g Portion des Müslis mit 60 ml Milch mit einem Fettgehalt von 1,5 %). Nur auf der Schmalseite der Verpackung sind Nährwertinformation bezogen auf 100 g des unzubereiteten Produkts angegeben.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. klagte. Der BGH legte den Fall dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.

Der EuGH hatte zu entscheiden, ob bei verschiedenen Zubereitungsweisen eines Lebensmittels die Nährwertdeklarationen, die auf der Vorderseite der Verpackung dieses Lebensmittels freiwillig wiederholt werden, auf eine dieser Zubereitungsweisen beschränkt sein dürfen.

 

Entscheidung:

Der EuGH hielt eingangs fest, dass das Müsli auf unterschiedliche Weise zubereitet werden kann, nämlich u. a. durch die Zugabe von Milch, Joghurt, Quark, Fruchtsäften, etc.; es aber auch ohne jede Zubereitung verzehrt werden kann.

Nach Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1169/2011 können sich die Nährwertinformationen „gegebenenfalls“ auf „das zubereitete Lebensmittel“ beziehen statt auf das „Lebensmittel zum Zeitpunkt des Verkaufs“, „sofern ausreichend genaue Angaben über die Zubereitungsweise gemacht werden und sich die Informationen auf das verbrauchsfertige Lebensmittel beziehen“.

Der EuGH nahm eine teleologische Auslegung des Wortes „gegebenenfalls“ vor und verwies auf das Ziel der Verordnung, ein hohes Verbraucherschutzniveau in Bezug auf Informationen über Lebensmittel unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Erwartungen der Verbraucher zu gewährleisten. Die Verordnung bezweckt die Vergleichbarkeit von Lebensmitteln und der Information der Verbraucher. Wenn ein Lebensmittel auf unterschiedliche Weise zubereitet werden kann, lassen die Nährwertdeklarationen auf diesem Produkt jedoch keinen Vergleich mit ähnlichen Produkten anderer Hersteller zu.

Die fehlende Vergleichbarkeit kann auch nicht dadurch geheilt werden, dass die Werte für eine Portion an anderer Stelle auf der Verpackung mit den Werten je 100 g des Erzeugnisses angegeben werden. Isolierte Informationen auf der Vorderseite der Verpackung lassen keinen Produktvergleich zu, und die zusätzlichen Deklarationen an anderer Stelle auf der Verpackung mit anderen Referenzmengen sind lediglich geeignet, den Verbraucher hinsichtlich der Vergleichbarkeit mit anderen Erzeugnissen noch mehr zu verwirren.

Daher müssen Lebensmittel, die auf unterschiedliche Weise zubereitet werden können, vom Anwendungsbereich von Art. 33 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1169/2011 ausgenommen werden. Daher entschied der EuGH, dass diese Bestimmung dahin auszulegen ist, dass sie allein für Lebensmittel gilt, bei denen eine Zubereitung erforderlich und die Zubereitungsweise vorgegeben ist.

 

 

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