OGH-Entscheidung vom 17.5.2023, 6 Ob 49/23h

 

Sachverhalt:

Die Klägerin ist Immobilienmaklerin und war mit der Vermittlung einer Wohnung beauftragt. Die Beklagten wurden über ein Inserat auf einer Online-Plattform auf die Wohnung aufmerksam und nahmen telefonisch Kontakt zur Klägerin auf. Im Zuge des Telefonats wurde ein Besichtigungstermin vereinbart und auch schon die Provisionshöhe besprochen. Die Klägerin übermittelte auch die gewünschten Informationen per E-Mail. Kurz nach der Besichtigung entschied sich der Beklagte zum Kauf und teilte dies der Klägerin mit. In den Räumlichkeiten der Klägerin unterfertigte er daraufhin das Kaufanbot und eine schriftliche Provisionsvereinbarung. Er verweigerte dann aber den Abschluss des Vorvertrags wegen divergierender Auffassungen.

Die Klägerin machte ihren Provisionsanspruch vor Gericht geltend. Der Beklagte erklärte den Rücktritt vom Maklervertrag. Eine Information durch die Klägerin über ein Rücktrittsrecht nach dem FAGG erfolgte zu keinem Zeitpunkt.

 

Entscheidung:

Beide Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Der im Fernabsatz zustande gekommene Maklervertrag sei anlässlich des Telefonats über den Besichtigungstermin zustande gekommen. Mangels Aufklärung über sein Rücktrittsrecht nach dem FAGG sei der Beklagte rechtzeitig vom Maklervertrag zurückgetreten. Der OGH wies die Revision der Klägerin als unzulässig zurück.

Der OGH hielt zunächst fest, dass auch von Dritten angebotene Fernabsatz- oder Dienstleistungssysteme (zB wie hier Online-Plattformen) unter organisierte Vertriebs- oder Dienstleistungssysteme für den Fernabsatz fallen. Es geht daher nicht nur um solche Systeme, die der potenzielle Vertragspartner des Verbrauchers selbst betreibt. Das Inserieren einer Liegenschaft durch einen Immobilienmakler auf einer Online-Plattform wie „willhaben.at“ erfolgt daher im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems iSd § 3 Z 2 FAGG.

Ein Fernabsatzgeschäft setzt keinen standardisierten Geschäftsabschluss in einem „Webshop“ voraus. Auch telefonisch oder per E-Mail zustande gekommene Verträge erfüllen den Tatbestand des Fernabsatzes.

 

 

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Immobilienmakler trifft ohne Veranlassung weder eine besondere Nachforschungspflicht, noch die Verpflichtung zur umfassenden Rechtsberatung seiner Kunden.

Kein Anspruch auf Maklerprovision nach endgültigem Scheitern der Verhandlungen (selbst bei späterem Zustandekommen des Geschäfts).

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