OGH-Entscheidung vom 6.8.2021, 6 Ob 115/21m

 

Sachverhalt:

Der Eigentümer zweier Wohnungen kontaktierte die Beklagte als Immobilienmaklerin für den Verkauf seiner beiden Wohnungen. Der Kläger ging zunächst von einem zu erzielenden Gesamtkaufpreis von etwa EUR 1 Mio aus. Der für die Beklagte tätige Makler erklärte ihm jedoch, dass der tatsächliche Wert nur EUR 780.000 betrage.

Die Beklagte teilte dem Kläger in weiterer Folge mit, dass es nur einen Interessenten gebe; dieser habe ein schriftliches Angebot über EUR 790.000 gelegt, welches der Kläger auch annahm. In der Folge wurde der Kläger jedoch misstrauisch und ließ die Wohnungen erneut schätzen, woraus sich weit höhere Werte als der Verkaufspreis ergaben.

Der Kläger machte daher vor Gericht die Differenz zwischen Schätzwert und Kaufpreis sowie die Maklerprovision als Schadenersatz geltend.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, dass es mit Teilurteil einen großen Teil des Schadenersatzbegehrens abwies. In der deutschen Judikatur sei seit Jahrzehnten anerkannt, dass die Grundstücksbewertung notwendig mit Unschärfen behaftet und deshalb nicht fehlerhaft sei, solange sich das Bewertungsergebnis im Rahmen zulässiger Toleranzen bewege. Schwankungsbreiten von 18 bis 20 % seien unvermeidbar und noch vertretbar.

Der OGH lies die Revision des Klägers aus Gründen der Rechtssicherheit zu und befand sie als berechtigt:

Gemäß § 3 Abs 1 MaklerG hat der Makler die Interessen des Auftraggebers redlich und sorgfältig zu wahren. Makler und Auftraggeber sind verpflichtet, einander die erforderlichen Nachrichten zu geben. Gemäß § 30b Abs 2 KSchG zählen zu den erforderlichen Nachrichten, jedenfalls auch sämtliche Umstände, die für die Beurteilung des zu vermittelnden Geschäfts wesentlich sind. Diese Bestimmung spricht die Fachkenntnisse des Immobilienmaklers an, der seine Marktkenntnisse und sein Hintergrundwissen beratend einzubringen hat.

Der Immobilienmakler ist Sachverständiger iSd § 1299 ABGB, weshalb von ihm erwartet werden kann über einschlägige Probleme Bescheid zu wissen und richtige Auskünfte zu erteilen. Eine besondere Nachforschungspflicht des Maklers besteht allerdings nicht. Jedenfalls beim Alleinvermittlungsauftrag besteht wegen der weitreichenden Bindung des Auftraggebers die Pflicht des Maklers, sich nach Kräften für die Ausführung des Auftrags einzusetzen; den Makler trifft dabei eine besondere Treuepflicht. Die Verletzung von Aufklärungspflichten macht den Immobilienmakler gegenüber seinem Auftraggeber nach den allgemeinen Grundsätzen des ABGB ex contractu schadenersatzpflichtig. Die Verletzung von Informationspflichten bei Abschluss des Vertrags gewährt nach allgemeinen schadenersatzrechtlichen Grundsätzen allerdings nicht den Ersatz des Nichterfüllungsschadens, sondern nur jenes Schadens, den der Geschädigte im Vertrauen auf die korrekte Erfüllung des Maklervertrags erlitten hat. Zu ersetzen ist daher der Vertrauensschaden. Der Geschädigte ist so zu stellen, wie er stünde, wenn die Pflichtverletzung nicht begangen worden wäre.

Im Hinblick auf Preisspannen bei der Liegenschaftsbewertung sah es der OGH zwar als zutreffend an, dass der Marktwert (Verkehrswert) trotz einer Vielzahl verfahrensrechtlicher Wertermittlungsvorschriften keine mathematisch exakt ermittelbare Größe sei und von vielfältigen Einschätzungen abhänge. Der Beklagten ist dennoch ein Sorgfaltsverstoß zur Last zu legen, da von der Beklagten nie nachvollziehbare Überlegungen zum Wert der Wohnungen angestellt wurden oder der Kläger auf eine bei der Einschätzung sich ergebende Schätzungsbandbreite hingewiesen wurde. Der zuständige Sachbearbeiter der Beklagten präsentierte sich jedoch als „Experte“. Der Kläger hatte ihm gegenüber erklärt an einer Maximierung des Verkaufspreises interessiert zu sein und dass es nicht erforderlich sei, dass beide Wohnungen gleichzeitig verkauft werden müssten.

Der OGH folgte daher nicht der Ansicht des Berufungsgerichts, wonach eine Wertermittlung von 15 % unter dem Verkehrswert jedenfalls zutreffend sei. Denn dadurch würde ein Anreiz für den Makler geschaffen, den Verkehrswert von vornherein niedrig festzusetzen, um das Objekt in möglichst kurzer Zeit verkaufen und dadurch die Provision lukrieren zu können.

 

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