OGH-Entscheidung vom 14.9.2022, 6 Ob 106/22i

 

Sachverhalt:

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) führte eine Verbandsklage gegen ein Autovermietungsunternehmen wegen unzulässiger Klauseln in dessen AGB. Das Unternehmen hatte im Vorfeld im Hinblick auf eine Vielzahl abgemahnter Klauseln Unterlassungserklärungen abgegeben. Hinsichtlich folgender beider Klauseln brachte der VKI wegen Verstößen gegen gegen Art 25 Abs 2 DSGVO (Privacy by default; Grundsatz der Datenminierung) eine Verbandsklage iSd § 28 KSchG ein:

    1. „Solange Sie keine relevanten Funktionen (wie unten erläutert) deaktivieren, sind diese Geräte stets aktiv, selbst wenn andere Dienste oder Medien im Fahrzeug ausgeschaltet wurden.“
    2. „1.3. Zusammenfassend ausgedrückt erfassen und verarbeiten wir die Informationen (einschließlich Ihrer persönlichen Daten) auf der Grundlage von: (1) Ihrer Zustimmung, welche Sie zurückziehen können, indem Sie Ihr Gerät ausschalten/abkoppeln und Ihre Informationen im Infotainment-System löschen.“

Entscheidung:

Die Vorinstanzen gaben dem VKI Recht und befanden die beiden Klauseln für unzulässig.

Aufgrund eines anderen Vorabentscheidungsverfahrens (Rechtssache C-319/20, vzbv/facebook) hatte der OGH eine Vorlagefrage zur Klagsbefugnis von Verbänden bei DSGVO-Verstößen an den EuGH gestellt. Der EuGH entschied dort, dass Art 80 DSGVO einer nationalen Regelung, nach der ein Verband zur Wahrung von Verbraucherinteressen gegen den mutmaßlichen Verletzer des Schutzes personenbezogener Daten ohne entsprechenden Auftrag und unabhängig von der Verletzung konkreter Rechte betroffener Personen Klage mit der Begründung erheben kann, dass gegen das Verbot der Vornahme unlauterer Geschäftspraktiken, ein Verbraucherschutzgesetz oder das Verbot der Verwendung unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen verstoßen worden sei, nicht entgegensteht, sofern die betreffende Datenverarbeitung die Rechte identifizierter oder identifizierbarer natürlicher Personen aus dieser Verordnung beeinträchtigen kann.

Damit war geklärt, dass hier das Unionsrecht in Gestalt der DSGVO der Klagebefugnis des VKI nicht entgegensteht.

Zur ersten Klausel führte der OGH aus, dass sich die Klausel zu den Voreinstellungen zur Datenverarbeitung im Mietfahrzeug nach ihrem klaren Wortlaut nicht auf bestimmte Verarbeitungszwecke bezieht, die die Datenverarbeitung erforderlich machen würden. Damit sieht die Vertragsbestimmung aber letztlich – jedenfalls bei kundenfeindlichster Auslegung – Voreinstellungen vor, die eine Datenverarbeitung ganz unabhängig von der Erforderlichkeit für bestimmte Verarbeitungszwecke zulassen. Die Klausel verstößt daher gegen Art 25 Abs 2 DSGVO.

Die zweite Klausel mache dem Verbraucher nicht deutlich, durch welches konkrete Verhalten er seine Einwilligung zur Datenverarbeitung im Zuge der Nutzung des Infotainment-Systems gibt. Schon allein der Umstand, dass sich der Verbraucher die nötige Information zu den konkreten Einwilligungsmodalitäten selbst dadurch „zusammensuchen“ muss, dass er einen jeweils recht ungenauen doppelten Querverweis im Klauselwerk nachvollziehen muss, widerspricht dem Transparenzgebot nach § 6 Abs 3 KSchG.

 

Link zum Entscheidungstext

 

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