OGH-Entscheidung vom 23.6.2021, 6 Ob 87/21v
Sachverhalt:
Die Beklagte betreibt eine Auskunftei über Kreditverhältnisse. Sie sammelt und verarbeitet Zahlungserfahrungsdaten, die ihr von Inkassounternehmen und anderen Unternehmen als Datensatz übermittelt werden. Erfolgt eine Zahlung erst nach mehrmaliger Mahnung sowie Einschreiten eines Inkassobüros, bleiben die Zahlungserfahrungsdaten mit dem Status „positiv erledigt“ gespeichert. Aus den Daten wird ein Zahlenwert („score“) errechnet, der die Kreditwürdigkeit widerspiegeln soll.
Die Klägerin schloss Mobilfunkverträge ab, bezahlte jedoch die Rechnungsbeträge nicht. Nach erfolglosen außergerichtlichen Betreibungsversuchen wurden die Beträge gerichtlich geltend gemacht und schließlich bezahlt. Diese Zahlungserfahrungsdaten wurden an die Beklagte weitergegeben.
Die Klägerin begehrte nun von der Beklagten die Löschung der gespeicherten Zahlungserfahrungsdaten. Es bestehe keine Notwendigkeit mehr für die Eintragung, weil alle Fälle positiv erledigt und keine Forderungen mehr offen seien.
Entscheidung:
Die Vorinstanzen wiesen das Löschungsbegehren ab. Am Betrieb einer Bonitätsdatenbank bestünden Interessen in Bezug auf den Gläubigerschutz und die Risikominimierung dritter Kreditgeber, die von der Rechtsordnung geschützt seien. Der OGH befand die dagegen erhobene Revision der Klägerin zwar für zulässig, aber unberechtigt. Zur Klarstellung der Rechtslage erwog der OGH Folgendes:
Zum Löschungsbegehren und Speicherdauer (Art 5 Abs 1 lit c und lit e DSGVO) hielt der OGH fest, dass bei der Speicherung personenbezogener Daten die Identifizierung der betroffenen Personen nur so lange möglich sein darf, wie es für die Verarbeitungszwecke erforderlich ist. Die Frist bzw die Kriterien, nach denen sich der Zeitpunkt der Löschung bestimmt, müssen auf das für die Verarbeitungszwecke unbedingt erforderliche Mindestmaß beschränkt sein. Dies bedarf meist einer Einzelfallbetrachtung. Wie lange die Aufbewahrung zulässig ist, hängt vom Zweck ab und wird erheblich variieren.
Als Richtlinie, wie lange Bonitätsdaten zur Beurteilung der Bonität eines (potenziellen) Schuldners geeignet sind, können nach dem Bundesverwaltungsgericht Beobachtungs- oder Löschungsfristen in rechtlichen Bestimmungen herangezogen werden, die dem Gläubigerschutz dienen oder die Erfordernisse an eine geeignete Bonitätsbeurteilung näher festlegen. Solche Bestimmungen finden sich beispielsweise in der Kapitaladäquanzverordnung (Verordnung [EU] Nr 575/2013), wonach für die Beurteilung der Bonität Daten über etwaige Zahlungsausfälle über einen Zeitraum von zumindest fünf Jahren relevant sind.
Da die Daten im vorliegenden Fall erst drei Jahre gespeichert wurden und dies laut Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedenfalls zulässig wäre, ließ der OGH die Frage der höchstzulässigen Speicherdauer offen.
Im Rahmen der Interessenabwägung müsse abgewogen werden, wie schwer die Speicherdauer in die Sphäre des Betroffenen eingreift und wie essenziell die Daten für den Verantwortlichen sind. Gemäß Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Bonitätsdaten zumindest fünf Jahre zu speichern, um ein möglichst aussagekräftiges Bild über die Bonität eines möglichen Schuldners zu geben. Gerade im Falle von Zahlungserfahrungsdaten sei es notwendig, einen langen Zeitraum zu erfassen, um auch Tendenzen feststellen und Momentaufnahmen vermeiden zu können. Die Speicherdauer stellte daher keinen Verstoß gegen Art 5 DSGVO dar.
Zu der Verarbeitung von Daten führte der OGH aus, dass Art 6 Abs 1 lit f DSGVO die Verarbeitung personenbezogener Daten in Gleichordnungsverhältnissen unter Privaten ermöglicht, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen eines Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist. Die Interessenabwägung folgt einem dreigliedrigen Schema: 1. Vorliegen eines berechtigten Interesses, 2. Erforderlichkeit der Verarbeitung der personenbezogenen Daten zur Verwirklichung des berechtigten Interesses und 3. kein Überwiegen der Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person. Da die Beantwortung dieser Frage in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage darstellt, verwies der OGH auf die Begründung der Vorinstanzen, wonach die Klägerin gewisse Einschnitte in ihrer alltäglichen Lebensführung zu erdulden hat (ihr etwa der Abschluss von Kredit- oder Mobilfunkverträgen verwehrt wird), dies in der Gesamtauswirkung aber letztlich nicht dazu führt, dass die Klägerin in einem unzumutbaren Maß von der Teilnahme am Wirtschaftsleben sowie an moderner Telekommunikation abgeschnitten wäre. Die berechtigten Informationsinteressen künftiger Gläubiger der Klägerin prävalieren deshalb im Ergebnis gegenüber dem schutzwürdigen Geheimhaltungsinteresse der Klägerin. Für den OGH war hinsichtlich der Interessenabwägung insofern keine Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen erkennbar.
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