OGH-Entscheidung vom 28.9.2021, 4 Ob 95/21f

 

Sachverhalt:

Ein Unternehmen verkaufte über einen Webshop Sportnahrung und versandte an ihre Kunden regelmäßige Newsletter in Form von E-Mails. Ihre Datenschutzerklärung enthielt ua folgende Klausel: „Wir können außerdem personenbezogene Daten, die wir von Ihnen gespeichert haben, übermitteln, wenn wir das gesamte Unternehmen oder Unternehmensteile oder -anteile verkaufen oder übertragen (davon erfasst sind auch Restrukturierung, Abspaltung, Auflösung oder Liquidation)“.

In weiterer Folge wurde dieses Unternehmen insolvent. Die Beklagte kaufte vom Insolvenzverwalter die Domain, über die der Webshop betrieben wurde, und den Firmenwert (Goodwill) des Unternehmens, bestehend aus Kundenstock, dem Online-Auftritt sowie der dazu bisher verwendeten Software. Danach sandte sie E-Mails als Newsletter zu Zwecken der Direktwerbung auch an bisherige Kunden der Insolvenzgesellschaft.

Die Klägerin klagte auf Unterlassung und beantragte die Erlassung einer einstweiligen Verfügung. Die Beklagte habe Newsletter an Kunden des Webshops der Insolvenzgesellschaft versandt, die der Beklagten gegenüber keine Einwilligung dazu erteilt hätten und von der Übernahme des Kundenstocks nicht informiert worden seien.

 

Entscheidung:

Die Vorinstanzen wiesen den Sicherungsantrag ab. Der OGH befand den dagegen erhobenen Revisionsrekurs der Klägerin für unzulässig.

Zum Vorwurf der unlauteren Geschäftspraktik führte der OGH aus, dass ein lauterkeitsrechtlich relevanter Rechtsbruch nur vorliegt, wenn er auf einer unvertretbaren Rechtsansicht beruht.

107 Abs 3 TKG 2003 (nunmehr in § 174 TKG 2021) lautet:

Eine vorherige Einwilligung für die Zusendung elektronischer Post gemäß Abs. 2 ist dann nicht notwendig, wenn

  1. der Absender die Kontaktinformation für die Nachricht im Zusammenhang mit dem Verkauf oder einer Dienstleistung an seine Kunden erhalten hat und
  2. diese Nachricht zur Direktwerbung für eigene ähnliche Produkte oder Dienstleistungen erfolgt und
  3. der Empfänger klar und deutlich die Möglichkeit erhalten hat, eine solche Nutzung der elektronischen Kontaktinformation bei deren Erhebung und zusätzlich bei jeder Übertragung kostenfrei und problemlos abzulehnen und
  4. der Empfänger die Zusendung nicht von vornherein, insbesondere nicht durch Eintragung in die in § 7 Abs. 2 E-Commerce-Gesetz genannte Liste, abgelehnt hat.

Die Beklagte hat im Insolvenzverfahren den Kundenstock der Insolvenzgesellschaft samt Online-Auftritt gekauft. Ihre Auffassung, die Kunden der Insolvenzgesellschaft, die schon bisher Sporternährungsprodukte über deren Website bezogen haben, seien durch diesen Vorgang zu ihren eigenen Kunden geworden, ist nach dem Wortlaut dieser Bestimmung nicht unvertretbar. Dass hier nicht der Absender der Newsletter (die Beklagte), sondern deren Rechtsvorgängerin die Kontaktinformationen erhalten hat, ändert beim gegebenen Sachverhalt an der Vertretbarkeit dieser Auffassung nichts. Auch die Voraussetzungen gem Z 2 und 3 waren erfüllt. Dass eine Vorweg-Ablehnung gem Z 4 vorgelegen hätte, wurde von der Klägerin nicht behauptet.

Ein Rechtsbruchtatbestand im Sinne des UWG ist nicht schon dann erfüllt, wenn nach der strengsten Auslegung einer Verhaltensnorm deren Verletzung zu begründen wäre, sondern nur dann, wenn die Verletzung der Norm nicht mit guten Gründen vertreten werden kann, also unvertretbar ist. Eine derartige Unvertretbarkeit lag nicht vor.

Auch ein Verstoß gegen die DSGVO wurde vom OGH verneint. Die Kunden der Insolvenzgesellschaft haben sich im Zusammenhang mit dem Bezug des Newsletters über deren Webshop mit der Weitergabe personenbezogener Daten ua für den Fall des Verkaufs des gesamten Unternehmens oder von Teilen davon einverstanden erklärt. Daher ist es nicht unvertretbar, diese Einwilligung als ausreichend iSd Art 6 Abs 1 lit a DSGVO zu erachten (wonach die Verarbeitung rechtmäßig ist, wenn die betroffene Person ihre Einwilligung zu der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten für einen oder mehrere bestimmte Zwecke gegeben hat) sowie die nach Art 14 DSGVO vorgeschriebenen Informationen in diesem Fall für entbehrlich zu halten.

 

Link zum Entscheidungstext

 

UPDATE:

Die Datenschutzbehörde entschied auch über diesen Fall und kam zu dem Ergebnis, dass die Beschwerdegegnerin als Erwerberin des Unternehmens im Rahmen eines Asset-Deals bei den übernommenen Kunden vorab die Einwilligung zur Zusendung von Newslettern hätte einholen müssen.
Da gemäß § 107 Abs. 3 Z 1 TKG 2003 die Zusendung elektronischer Post nur dann rechtmäßig ist, wenn der Absender die Kontaktinformation für die Nachricht im Zusammenhang mit einem Verkauf oder einer Dienstleistung an seine Kunden erhalten hat und es sich im vorliegenden Fall mangels Gesamtrechtsnachfolge bei der Beschwerdeführerin nicht um die Kundin der Beschwerdegegnerin in diesem Sinne handelt, war die Erleichterung des § 107 Abs. 3 TKG 2003 nicht einschlägig.
Darüber hinaus bejahte die Datenschutzbehörde ihre Zuständigkeit im gegenständlichen Verfahren trotz eines vorangegangenen UWG-Verfahrens, da weder eine Identität der Verfahrensgegenstände noch der Verfahrensparteien vorlag. Es lag daher keine Bindungswirkung des Beschlusses des OLG Graz auf den im Ergebnis abweichenden Bescheid der Datenschutzbehörde vor.

 

(nicht rechtskräftig)

Geschäftszahl: 2021-0.330.691 (Verfahrenszahl: D124.3524)

 

 

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