EuGH-Urteil vom 30.4.2025, Rechtssache C‑386/23

 

Sachverhalt:

Der deutsche Verband Sozialer Wettbewerb e. V. klagte die Novel Nutriology GmbH, die ein Nahrungsergänzungsmittel mit den Inhaltsstoffen „Safran-Extrakt“ und „Melonensaft-Extrakt“ vertreibt, die stimmungsaufhellend wirken sowie Stressgefühle und Erschöpfung reduzieren sollen.

Der Verband Sozialer Wettbewerb sah hierin unzulässige gesundheitsbezogene Angaben und erhob Klage auf Unterlassung. Nachdem die Klage in den Vorinstanzen erfolgreich war, legte Novel Nutriology Revision beim deutschen BGH ein. Dieser setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH das Verfahren zur Vorabentscheidung vor.

Der BGH wollte im Wesentlichen wissen, ob Art 10 der Health Claims Verordnung (Nr. 1924/2006) dahin auszulegen ist, dass er dem entgegensteht, im Rahmen der kommerziellen Werbung für ein aus „Botanicals“ bestehendes Nahrungsergänzungsmittel (iSd Verordnung Nr. 432/2012) spezielle gesundheitsbezogene Angaben über solche Stoffe zu verwenden, solange die Kommission die Prüfung der gesundheitsbezogenen Angaben über pflanzliche Stoffe im Hinblick auf ihre Aufnahme in eine der Listen der zugelassenen gesundheitsbezogenen Angaben nach den Art. 13 und 14 der Verordnung Nr. 1924/2006 nicht abgeschlossen hat.

 

Entscheidung:

Der EuGH hielt fest, dass gesundheitsbezogene Angaben in der Werbung für Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel nach der Health-Claims-Verordnung (Nr. 1924/2006) grundsätzlich verboten sind. Ausnahmen gelten nur, wenn die Angaben von der Europäischen Kommission zugelassen und in die Liste der zugelassenen gesundheitsbezogenen Angaben aufgenommen wurden. Angaben zu sogenannten „Botanicals“ wurden bislang noch nicht in diese Liste aufgenommen.

Die VO unterscheidet zwischen speziellen und allgemeinen gesundheitsbezogenen Angaben. Spezielle Angaben dürfen nur verwendet werden, wenn sie in der entsprechenden Liste enthalten sind. Allgemeine gesundheitsbezogene Angaben sind nur dann erlaubt, wenn ihnen eine zugelassene spezielle Angabe beigefügt ist. Im vorliegenden Fall handelt es sich um spezielle gesundheitsbezogene Angaben.

Da die Kommission die Bewertung gesundheitsbezogener Angaben über pflanzliche Stoffe („Botanicals“) ausgesetzt hat, dürfen solche Angaben aktuell nicht verwendet werden; es sei denn, sie fallen unter eine in der Verordnung vorgesehene Übergangsregelung.

Laut EuGH stellt dieses Verbot keine unverhältnismäßige Einschränkung der unternehmerischen Freiheit dar, da Ausnahmen durch Übergangsregelungen möglich sind. Im konkreten Fall greift jedoch keine solche Ausnahme. Die betroffenen gesundheitsbezogenen Angaben betreffen psychische Funktionen und wurden in Deutschland vor dem Inkrafttreten der Verordnung weder geprüft noch zugelassen. Für solche Angaben hätte vor dem 19. Januar 2008 bei der zuständigen nationalen Behörde ein Zulassungsantrag gestellt werden müssen, was nicht passiert ist.

 

 

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