OGH-Entscheidung vom 19.11.2024, 4 Ob 194/24v
Sachverhalt:
Die Streitteile stehen mit ihren Barbershops in Wien im Wettbewerb und betreiben zu ihren Geschäften jeweils Internetseiten. Die Klägerin war der Ansicht, dass der Beklagte sie durch eine auffallend ähnliche Gestaltung ihrer Website nachahmen würde bzw. er ihre Internetseite glatt übernommen hätte.
Die Klägerin stützte sich auf § 1 UWG (Fallgruppen: glatte Leistungsübernahme und vermeidbare Herkunftstäuschung) und wollte dem Beklagten verbieten, mit seiner Website das Layout ihrer Startseite glatt zu übernehmen bzw es nachzuahmen.
Entscheidung:
Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Aufgrund der grundsätzlichen Nachahmungsfreiheit sowie ohne das Hinzutreten besonderer lauterkeitsrelevanter Begleitumstände, sei das Verhalten des Beklagten nicht unlauter. Der OGH wies die außerordentliche Revision der Klägerin zurück.
Für Produkte, die keinen Sonderrechtsschutz für sich in Anspruch nehmen können, besteht grundsätzlich Nachahmungsfreiheit. Bei Hinzutreten besonderer lauterkeitsrelevanter Begleitumstände kann die Nachahmung gewerblicher Erzeugnisse nach § 1 Abs 1 Z 1 UWG unlauter sein. Etwa bei sklavischer Nachahmung bzw glatte Leistungsübernahme kommt eine vermeidbare Herkunftstäuschung oder eine unangemessene Ausnützung der Wertschätzung des nachgeahmten Produkts in Frage.
Im vorliegenden Fall war eine sklavische Nachahmung/glatten Übernahme schon wegen der von den Vorinstanzen aufgezeigten vielfältigen und prägenden Unterschiede bei der Gestaltung des Internetauftritts des Beklagten (zB prominente Platzierung von Logo und Etablissementbezeichnung, unterschiedlicher Textinhalt und Fotogestaltung, Gesamteindruck der Website etc) zu verneinen.
Lauterkeitswidrig handelt hier, wer seinem wettbewerblich eigenartigen Produkt (hier: Website) bewusst die Form eines fremden, sonderrechtlich nicht geschützten Erzeugnisses gibt, obwohl eine andersartige Gestaltung zumutbar gewesen wäre, und dadurch die Gefahr von Verwechslungen über die betriebliche Herkunft hervorruft. Für eine Nachahmung muss das beanstandete Erzeugnis oder ein Teil davon mit dem Originalprodukt übereinstimmen oder ihm zumindest so ähnlich sein, dass es sich nach dem jeweiligen Gesamteindruck in ihm wiedererkennen lässt. Die Nachahmung muss bewusst erfolgen (siehe zB HIER im Blog).
Der OGH bestätigte die Rechtsansicht der Vorinstanzen, die ein unlauteres Herbeiführen von Verwechslungsgefahr bei einer Gesamtbetrachtung verneint hatten. Auf das (gegebenenfalls vorliegende) Ausbeuten fremden Rufes bzw unangemessene Ausnützung der Wertschätzung des nachgeahmten Produkts hatte sich die Klägerin nicht gestützt.
Lauterkeitsrechtlicher Nachahmungsschutz bei einer schmarotzerischen Rufausbeutung kann auch ohne Herkunftstäuschung der Verkehrskreise wegen einer unlauteren Anlehnung an die fremde Leistung geboten sein (siehe zB HIER im Blog). Demnach kann bei gleichen oder ähnlichen Erzeugnissen eine unlautere Ausbeutung vorliegen, wenn sich der Beklagte in die Sogwirkung des Erzeugnisses begibt, um dessen Auffälligkeitswert oder besondere Wertschätzung als Trittbrettfahrer – über die bloße Erweckung von Assoziationen an ein fremdes Erzeugnis hinaus – in schmarotzerischer Weise für sein eigenes Erzeugnis auszunützen.
Zur objektiven Rufausbeutung muss damit etwas Anstößiges hinzutreten, Anhaltspunkte dafür bilden etwa die Verwendung identischer Zeichen und die – meist naheliegende, wenn nicht konkret widerlegte – Zielrichtung, am fremden Ruf zu schmarotzen; mittelbar dient dieser Schutz dem Schutz der Investitionen, die für den Aufbau dieses Rufes erforderlich waren (siehe zB HIER im Blog).
Bereits die Vorinstanzen hatten die Eigenart des in Rede stehenden Webdesigns vermisst und auf die allgemein üblichen und im Internet frei angebotenen Gestaltungsformen für Websites verwiesen, damit sowohl den Grad der Anlehnung als auch die Stärke des Rufes des nachgeahmten Erzeugnisses im Anlassfall nicht als prägend qualifiziert.
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