OGH-Entscheidung vom 22.12.2020, 4 Ob 138/20b

 

Sachverhalt:

Die Klägerin erzeugt und vertreibt in rund 70 Ländern unter der Marke HAGLEITNER Hygieneprodukte für Waschräume und Toiletten, u.a. Systemspender für Waschräume, die eine einfache Entnahme von Papierhandtüchern oder Toilettenpapier gewährleisten. Für diese Waschraumspender entwickelte die Klägerin ein eigenes Nachfüllsystem und vertreibt dafür passende Nachfüllungen.

Die slowenische Beklagte vertreibt in Österreich über Außendienstmitarbeiter Systemspender für Waschräume sowie Nachfüllungen für Systemspender. Die Außendienstmitarbeiter der Beklagten bieten deren Produkte als „passend für HAGLEITNER“ an.  Tatsächlich sind die Toiletten- und Handtuch-Papierrollen der Beklagten weder passend noch geeignet.

Die Klägerin machte geltend, dass Nutzer (Gäste und Kunden) ein einwandfreies Funktionieren von Spendern und Papieren erwarten. Funktionieren ein Spender oder das Papier nicht einwandfrei, ordnen die Nutzer dies der Marke der Klägerin zu; ihre diesbezügliche Qualitätsvorstellung wird dadurch gestört. Die Klägerin beantragte daher die Erlassung einer einstweiligen Verfügung und klagte auf Unterlassung.

 

Entscheidung:

Das Erstgericht verbot der Beklagten, 1. Angaben wie „passend für Hagleitner“ zu machen, wenn bei Verwendung der Produkte der Beklagten nicht die volle Funktionalität im Vergleich zur Verwendung von Originalprodukten gewährleistet ist, 2. Dritte dazu zu bestimmen, die von der Beklagten gelieferten Produkte als Verbrauchsmaterialien für Spender zu verwenden, die die Marke HAGLEITNER tragen, wenn nach Einsatz der Verbrauchsmaterialien in die Spender die Gefahr besteht, dass der unrichtige Eindruck erweckt wird, es handle sich bei den Verbrauchsmaterialien um HAGLEITNER-Produkte sowie 3. die Marke und/oder dieser Marke ähnliche Zeichen in anderer Weise zu verwenden. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Beklagten teilweise Folge, indem es die Begehren 2. und 3. abwies. Der OGH befand den dagegen gerichteten Revisionsrekurs der Klägerin zur Klarstellung der Rechtslage für zulässig und teilweise berechtigt.

Die Klägerin begründete ihren Antrag damit, dass sie durch die Herbeiführung einer Zuordnungsverwirrung (Verwechslungsgefahr) geschädigt werde, die auf der sittenwidrigen Ausnutzung von Bekanntheit und gutem Ruf der klägerischen Marke HAGLEITNER und der unter dieser Marke vertriebenen Spendersysteme fuße. Die Nachfüllprodukte würden mangels Kennzeichnung und sonstiger Herkunftshinweise der Marke der Klägerin zugeordnet. Die Beklagte begehe eine Markenverletzung, die von vornherein nicht unter den Rechtfertigungstatbestand des § 10 Abs 3 Z 3 MSchG bzw Art 14 Abs 1 lit c UMV falle, weil dies nicht den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel entspreche und es sich beim Einsetzen der Nachfüllprodukte in mit der klägerischen Marke gekennzeichnete Spender nicht um eine Benutzung zu Zwecken der Identifizierung von oder zum Verweis auf Waren oder Dienstleistungen als die des Inhabers der Marke im Sinne dieser Bestimmungen handle.

Es liege eine Markenverletzung vor, da ein mit der Marke des Originalherstellers gekennzeichnetes wiederbefüllbares Behältnis mit Waren eines anderen Herstellers nachgefüllt werde und der Verkehr die Marke auf dem Behältnis als Hinweis nicht nur auf die betriebliche Herkunft des Behältnisses, sondern auch auf die betriebliche Herkunft des Inhalts verstehe.

Der OGH erwog hierzu, dass die eingetragene Marke ihrem Inhaber nach § 10 Abs 3 Z 3 MSchG nicht das Recht gewährt, einem Dritten zu verbieten, die Marke zu Zwecken der Identifizierung von oder zum Verweis auf Waren oder Dienstleistungen als die des Inhabers dieser Marke im geschäftlichen Verkehr zu benutzen, insbesondere wenn die Benutzung der Marke als Hinweis auf die Bestimmung einer Ware oder einer Dienstleistung, beispielsweise als Zubehör oder Ersatzteil, erforderlich ist, und sofern dies den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel entspricht. Nach der Rechtsprechung normiert § 10 Abs 3 Z 3 MSchG eine Ausnahme vom Markenrecht und ist eng auszulegen. Die Benutzung der geschützten Marke ist demnach insbesondere dann erforderlich, um die Bestimmung der eigenen Ware oder Dienstleistung als Zusatzfunktion zum Markenprodukt darzulegen. Die erforderliche Benutzung der fremden Marke darf zudem nicht dazu führen, dass sie als unlauter zu qualifizieren ist. Als Unlauterkeitskriterien kommen vor allem Rufausbeutung, Rufschädigung, Aufmerksamkeitsausbeutung und Verwässerung. (Weitere OGH-Entscheidungen zu dieser Bestimmung können HIER und HIER im Blog nachgelesen werden).

Im vorliegenden Fall wurde als bescheinigt festgestellt, dass die auf den von der Klägerin hergestellten Handtuch- und Toilettenpapierspendern gut ersichtliche Marke der Klägerin von den Benutzern beachtet wird, und dass sie zugleich gehobene Qualitätserwartungen sowohl in Bezug auf den Spender als auch das darin eingelegte Papier hervorruft. Weiters steht fest, dass das – nicht gekennzeichnete – Nachfüllgut der Beklagten diesen Qualitätsanforderungen und -erwartungen nicht entspricht. Bei einer solchen Konstellation liegt nach Ansicht des OGH keine Relativierung der durch die Verwendung der Marke der Klägerin auf ihren Spendern im Vordergrund stehenden herkunftshinweisenden Funktion vor, sodass der Verkehr in der Marke auf dem Spender auch einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft des Nachfüllguts erblickt. Damit liegt aber im Handeln der Beklagten ein Beitrag zu einem Eingriff in die Markenrechte der Klägerin, der diese berechtigt, dagegen vorzugehen und Unterlassung zu begehren.

Die Klägerin ist mit ihren Produkten nicht nur inländische Marktführerin, sondern auch Innovationsführerin; eine im Februar 2018 durchgeführte Online-Studie für Österreich ergab, dass 52 % der 1.000 befragten privaten Nutzer die Marke HAGLEITNER kennen. Ebenso wie bei identischer Verwendung eines bekannten Kennzeichens die Unlauterkeit häufig zu vermuten sein wird, liegt es auch bei Verwendung eines einer weithin bekannten Marke ähnlichen Zeichens nahe, unlautere Motive zu vermuten, da die Möglichkeit einer Rufausbeutung auf der Hand liegt.

Gründe dafür, warum es der Beklagten nicht möglich sein soll, ihre neutral gestaltete Nachfüllware (Toiletten- und Handtuch-Papierrollen) mit einem aussagekräftigen eigenen Kennzeichen zu versehen, hat die Beklagte nicht geltend gemacht; solche sind auch nicht ersichtlich. Damit hat die Beklagte den Nachweis konkreter besonderer Umstände, die ihr den guten Ruf einer fremden Marke in unlauterer Weise ausnutzendes Verhalten rechtfertigen könnten, nicht erbracht. Auch das 2. Begehren erwies sich damit als berechtigt.

Das 3. Begehren war generell auf die Untersagung der Benutzung der geschützten Marken ohne Zustimmung der Klägerin und ohne Rechtfertigungsgrund gerichtet. Ein so allgemeines Unterlassungsgebot, die Marke der Klägerin und/oder dieser Marke ähnliche Zeichen nicht zu verletzen, war nicht ausreichend substanziiert. Der OGH gab dem Revisionsrekurs der Klägerin in diesem Punkt daher nicht Folge.