OGH-Entscheidung vom 27.8.2024, 4 Ob 4/24b
Sachverhalt:
Die Beklagte stellt Brillen her und nimmt jährlich an einer internationalen Fachmesse teil. Für das Jahr 2015 beauftragte sie den Kläger mit der Konzeption ihres Messestandes; errichtet wurde dieser von einer Dritten. Weiters unterstützte der Kläger die Beklagte bei einer Anpassung des Messestandes für die Messe 2016.
Für den Messestand 2015 war eine Neugestaltung geplant, die Designphilosophie sollte jedoch beibehalten werden. Die Beklagte machte zudem Vorgaben zu den vorgesehenen Räumlichkeiten. Weiters sollte das neue Brillenmodell der Beklagten als Messehighlight im Messestand 2015 verarbeitet und entsprechend dargestellt werden.
Der Kläger war der Ansicht, dass die Beklagte sein Design auch für die Messen 2017, 2018 und 2019 in geänderter Form genutzt sowie es im Jahr 2021 für einen (pandemiebedingt) virtuellen Messeshop übernommen hat. Er klagte daraufhin auf Unterlassung, Zahlung von angemessenem Entgelt und Urteilsveröffentlichung. Er war der Ansicht, der Beklagten kein Bearbeitungsrecht eingeräumt zu haben. In seiner Klage stellte er sein „Design“ mit folgenden Fotos dar:
Entscheidung:
Das Erstgericht wies die Klage ab. Das Berufungsgericht gab einer Berufung des Klägers nicht Folge.
Der OGH wies die Revision des Klägers zurück. Die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage (ob Teile eines Messestandes als Werk der Baukunst im Sinne des § 3 Abs 1 UrhG qualifiziert werden können) wurde im Rechtsmittel nicht releviert. Der Kläger bestritt sogar ausdrücklich, dass es sich bei dem von ihm entworfenen Messestand um ein Werk der Baukunst handle (worunter der Oberste Gerichtshof bereits Werke der Innenarchitektur subsumierte).
Eine schöpferische Gestaltung muss mit einem gewissen Maß an Originalität verbunden sein und sich vom Alltäglichen, Landläufigen, üblicherweise Hervorgebrachten abheben, um als Werk nach §§ 1, 3 Abs 1 UrhG urheberrechtlich geschützt zu sein. Es ist eine entsprechende Werkhöhe erforderlich, also eine Gestalt gewordene Idee, die den Stempel der persönlichen Eigenart ihres Schöpfers trägt. Die individuelle Erarbeitung einer funktionellen und zweckmäßigen technischen Lösung ohne besonderen ästhetischen Gehalt der Planung, in der kein besonderer künstlerisch-geistiger Formgedanke zum Ausdruck kommt, ist allerdings urheberrechtlich nicht geschützt.
Die konkrete Ausgestaltung eines Erzeugnisses, aus der sich sein Werkcharakter ergibt, hat grundsätzlich derjenige zu behaupten und zu beweisen, der dafür urheberrechtlichen Schutz in Anspruch nimmt. Davon ausgehend, hielt der OGH die Rechtsansicht der Vorinstanzen für vertretbar, dass sich schon aus dem Vorbringen des Klägers kein klar umrissenes, urheberrechtlich geschütztes Gesamtwerk der angewandten Kunst ableiten lasse, das als solches gegen Bearbeitungen geschützt wäre. Das „Design“ wurde nicht näher konkretisiert, und aus den Abbildungen ergeben sich nur punktuelle Eindrücke und für einen Messestand übliche und technisch-funktionelle Gestaltungselemente wie Vitrinen, Sideboards, Stehpulte, Bilder, Hochtische, barartige Hocker udgl. Die Idee, die Form der Brillenbügel in die Gestaltung der Regale und Wände einfließen zu lassen, ist als solche nicht schützbar; auch bei höhenversetzten Wandboards und unterschiedlich ausgerichteten Lamellen handelt es sich um gängige Elemente zur Wanddekoration, Raumteilung und Objektpräsentation.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts, lag hier ein technisch-funktionell vorgegebener Messestand mit (allenfalls) einem zentralen künstlerischen Element vor. Jedoch sei aus der Perspektive eines Messebesuchers kein (klar definiertes) Gesamtwerk der bildenden Kunst dargelegt worden, das insgesamt gegen Bearbeitungen geschützt wäre. Ein urheberrechtlicher Schutz des „Designs des Messestandes“ wurde von den Vorinstanzen also vertretbar verneint.
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