OGH-Entscheidung vom 23.9.2013, 4 Ob 61/13v
Sachverhalt:
Die Klägerin ist die Witwe und Alleinerbin des Sportreporters Edi Finger sen.
Dieser hatte in einer Radio-Übertragung im Rahmen der Fußballweltmeisterschaft 1978 in Argentinien im ORF anlässlich des Spiels zwischen Österreich und Deutschland nach dem Treffer zum 3:2 für Österreich den Ausruf „Tooor, Tooor, Tooor, Tooor, Tooor, Tooor! I wer´ narrisch!“ getätigt.
Die Beklagte ist ein Unternehmen der Unterhaltungsbranche, welches die originale Aufnahme dieses Ausspruchs als Klingelton zum Download anbot. Zuvor hatte sie mit der Ehefrau des Zweitnebenintervenienten, der Erstnebenintervenientin, einen exklusiven Bandübernahmevertrag abgeschlossen.
Die Klägerin klagte unter anderem auf Unterlassung und Rechnungslegung, da der besagte Ausspruch ein Werk im Sinn des UrhG sei und die Beklagte durch die Verbreitung und Verwendung in die „akustischen Vermarktungsrechte“ der Klägerin eingreifen würde.
Entscheidung:
Erst- und Berufungsgericht wiesen die Klage ab. Die Klägerin besitze auch als Gesamtrechtsnachfolgerin des keine Rechte an der Aufnahme. Das Recht, die Verbreitung und Vervielfältigung einem Dritten zu überlassen, stehe gemäß § 76a UrhG dem Rundfunkunternehmer zu. Eine Verletzung der Urheberpersönlichkeitsrechte iSv § 16 ABGB sei nicht gegeben, da die Beklagte keine Veränderungen an der Aufnahme vorgenommen habe. Der gegenständliche Ausruf sei nicht unüblich und es fehle ihm die erforderliche Kreativität, sodass der Werkcharakter im Sinn des Urheberrechts zu verneinen sei.
Der OGH befand die außerordentliche Revision der Klägerin für nicht zulässig. Ein Sprachwerk iSv § 2 UrhG muss ua die Anforderungen einer eigentümlichen geistigen Schöpfung iSd § 1 UrhG erfüllen. Mit dem Begriff Schöpfung wird im Allgemeinen ein Schaffensvorgang verbunden, der eine gewisse Gestaltungshöhe, einen Qualitätsgehalt besitzt. Von einer Schöpfung spricht man üblicherweise nur dann, wenn etwas noch nicht Dagewesenes geschaffen wird. Bei Sprachwerken, denen im Gegensatz zu anderen Werkkategorien eine jedem Menschen eigene Fähigkeit zugrunde liegt, kommt es in besonderer Weise auf Art und Umfang des Werks an. Je kürzer die jeweilige Formulierung ist, desto mehr muss sie sich durch eine fantasievolle Wortwahl oder Gedankenführung von üblichen Formulierungen abheben. Zwar muss keine besondere „Werkhöhe“ vorliegen, der Beitrag muss aber wohl – wie jedes Werk – eine individuelle geistige Leistung des Verfassers zum Ausdruck bringen. Die individuelle eigentümliche Leistung muss sich vom Alltäglichen, Landläufigen, üblicherweise Hervorgebrachten abheben. Die Schöpfung muss zu einem individuellen und originellen Ergebnis geführt haben. Beim Werkschaffenden müssen persönliche Züge zur Geltung kommen.
Die Verneinung einer individuellen geistigen Leistung des streitgegenständlichen Jubelrufs durch das Berufungsgericht hielt der OGH für vertretbar. Denn die Eigentümlichkeit lag im – durchaus nicht alltäglichen und sogar sensationellen – sportlichen Erfolg der österreichischen Fußballnationalmannschaft gegenüber dem deutschen Team, nicht aber in der Verwendung des Ausrufs „Tor“ in Kombination mit einem (gebräuchlichen) Wiener Mundart-Ausdruck.