OGH-Entscheidung vom 4.4.2024, 4 Ob 156/23d

 

Sachverhalt:

Die Antragstellerin ist Inhaberin einer internationalen Marke mit dem Schutzbereich „Produits pharmaceutiques et chimiques pour l‘hygiène“ (Klasse 5), unter anderem in der Europäischen Union.

Das EUIPO übersetzte den Schutzbereich mit „Pharmazeutische und chemische Produkte für die Hygiene“. Die deutsche Basismarke wiederum schützt „Pharmazeutische Erzeugnisse sowie chemische Erzeugnisse für die Gesundheitspflege“.

Die Antragstellerin vertreibt unter dieser Marke ein Mittel zum Ausgleich eines Magnesiummangels.

Die Antragsgegner mit Sitz in Österreich benützten das Zeichen für eigene Arznei- und Nahrungsergänzungsmittel. Sie wendeten ein, die Klagsmarke sei wegen zumindest fünfjähriger Nichtbenutzung verfallen. Das Warenverzeichnis der Marke sei nicht so auszulegen, dass es alle pharmazeutischen und chemischen Produkte umfasse, weil sonst die Einschränkung „pour l‘hygiène“ gegenstandslos wäre. Der französische Begriff „hygiène“ sei nach dem allgemeinen Sprachgebrauch und dem objektiven Verkehrsverständnis mit dem deutschen Begriff „Hygiene“ gleichzusetzen. Das Mittel der Antragstellerin (Magnesiumpräparat), für das die Marke benutzt worden sei, sei nicht unter die im Warenverzeichnis enthaltene Bezeichnung zu subsumieren, weil es sich dabei nicht um ein Produkt für die Hygiene handle. Die Klagsmarke sei daher verfallen.

 

Entscheidung:

Die Vorinstanzen wiesen das Sicherungsbegehren ab. Der OGH wies den außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin zurück.

Die Regelungen der Unionsmarkenverordnung binden den Verfall einer internationalen Marke, in deren Registrierung die Union benannt ist, an die fünfjährige nicht ernsthafte Benützung der Marke in der Union für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie – und nicht eine andere Marke (wie die Basismarke) – eingetragen ist. Die Waren und Dienstleistungen, für die Markenschutz beantragt wird, sind so klar und eindeutig anzugeben, dass die zuständigen Behörden und die Wirtschaftsteilnehmer allein auf dieser Grundlage den beantragten Schutzumfang bestimmen können.

Nach der Rechtsprechung des OGH sind wiederum die im Waren- und Dienstleistungsverzeichnis verwendeten Bezeichnungen nach dem allgemeinen Sprachgebrauch und dem objektiven Verkehrsverständnis auszulegen. Das gilt auch für die Beurteilung der rechtserhaltenden Benutzung einer Marke (siehe zB HIER im Blog).

Das Rekursgericht war der Ansicht, dass der Schutzbereich der internationalen Marke der Antragstellerin in der Union allein entsprechend dem Warenverzeichnis der internationalen Marke selbst zu bestimmen sei, das dafür nach dem allgemeinen Sprachgebrauch und dem objektiven Verkehrsverständnis auszulegen sei, und nicht entsprechend jenem der Basismarke. Der OGH sah darin eine Fehlbeurteilung.

 

Link zur Entscheidung

 

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