OGH-Entscheidung vom 25.1.2024, 4 Ob 120/23k

 

Sachverhalt:

Der Kläger besuchte gerade einen Vergnügungspark, als es dort zu einem Stromausfall kam. Dabei beobachtete er, wie mehrere Personen aus diversen Fahrgeschäften befreit wurden. Er machte davon einige Fotos mit seinem Handy und veröffentlichte sie auf seinem Twitter-Account.

Ein Mitarbeiter des beklagten österreichischen Rundfunks ersuchte den Kläger um Erlaubnis, die Bilder für einen Bericht über den Stromausfall in einer Nachrichtensendung verwenden zu dürfen. Der Kläger erteilte die Erlaubnis nicht. Der Beklagte sendete die Bilder dennoch und stellte seine Nachrichtensendung auch zum Abruf auf seiner Website bereit.

Der Kläger begehrte Unterlassung, Urteilsveröffentlichung und EUR 4.000 als angemessenes Entgelt nach § 86 UrhG.

 

Entscheidung:

Die Vorinstanzen gaben der Klage statt. Der Beklagte könne sich nicht auf ein freies Werknutzungsrecht nach § 42c UrhG berufen, weil die Fotos des Klägers nicht bei der Berichterstattung über ein Tagesereignis wahrnehmbar geworden seien. Außerdem fehle es am Informationszweck, weil ein Bericht über den Stromausfall im Bezirk auch ohne die Lichtbilder des Klägers möglich gewesen wäre.

Der OGH wies die außerordentliche Revision des Beklagten zurück. Gemäß § 42c UrhG dürfen zur Berichterstattung über Tagesereignisse Werke, die bei Vorgängen, über die berichtet wird, öffentlich wahrnehmbar werden, in einem durch den Informationszweck gerechtfertigten Umfang vervielfältigt, verbreitet, durch Rundfunk gesendet, der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt und zu öffentlichen Vorträgen, Aufführungen und Vorführungen benutzt werden.

Der Beklagte argumentierte, dass die Richtlinie 2001/29/EG (InfoRL) die Nutzung von Werken oder sonstigen Schutzgegenständen bereits in Verbindung mit der Berichterstattung über Tagesereignisse gestatte. Eine Wahrnehmbarkeit bei der Berichterstattung wie nach § 42c UrhG sei nach dem Unionsrecht kein Erfordernis, die österreichische Judikatur sei deshalb durch die neuere Rechtsprechung des EuGH überholt. Der BGH habe seine Linie zum vergleichbaren § 50 dUrhG bereits geändert.

Der OGH stimmte dem Beklagten zwar dahingehend zu, dass die Mitgliedstaaten gemäß Art 5 Abs 3 lit c zweiter Fall der InfoRL die Nutzung von Werken „in Verbindung mit der Berichterstattung über Tagesereignisse“ vorsehen können, soweit es der Informationszweck rechtfertigt und sofern nach Möglichkeit der Umstände die Quelle, einschließlich des Namens des Urhebers angegeben wird. Diese Bestimmung der Richtlinie führt aber eindeutig keine Vollharmonisierung durch. Daher spricht ihr Wortlaut auch nicht gegen die vom österreichischen Gesetzgeber geforderte Art der Verbindung, die überdies in Einklang mit bis Abs 2 der Berner Übereinkunft (Pariser Fassung) zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst steht.

Die nationale Regelung in Deutschland ist deutlich weiter als in Österreich, weil das freie Werknutzungsrecht nach § 42c UrhG nur für Werke gilt, die bei Vorgängen, über die berichtet wird, öffentlich wahrnehmbar werden. Die deutsche Norm hingegen lässt zur Berichterstattung über Tagesereignisse die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken, die im Verlauf dieser Ereignisse wahrnehmbar werden, in einem durch den Zweck gebotenen Umfang zu.

Der OGH folgte daher seiner bisherigen Rechtsprechung und wollte aus dieser Norm keine allgemeine Rechtfertigung für die Verwertung von Lichtbildern ableiten, die (selbst) Tagesereignisse zeigen oder damit in Zusammenhang stehen (so der OGH in DIESER Entscheidung zur Zulässigkeit eines aufklärenden Bildzitats).

Außerdem hatten die Sachverhalte der Ausgangsverfahren beim BGH keine Ähnlichkeit mit der hier vorliegenden Sachverhaltskonstellation. Beim BGH waren die urheberrechtlich geschützten Werke selbst das Thema der Berichterstattung und damit das Tagesereignis iSd § 50 dUrhG.

 

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