OGH-Entscheidung vom 27.6.2023, 4 Ob 77/23m
Sachverhalt:
Der Kläger ist ein Verein, der Wettbewerbsverstöße im Zusammenhang mit den Rechten der österreichischen Rechtsanwaltschaft verfolgt.
Die Beklagte ist für Klein- und Mittelbetrieben als Inkassoinstitut tätig. Auf der Website der Beklagten werden offene Rechnung hochgeladen, woraufhin ein mit Künstlicher Intelligenz ausgestattetes Softwaretool die weiteren Mahnschritte veranlasst. Kunden wird auch angeboten (über ein automatisches Auswahlverfahren) einen vertraglich verbundenen Rechtsanwalt zu beauftragen.
Neben dem Produkt „Inkasso“ bietet die Beklagte auf ihrer Plattform auch das Produkt „Rechtsfragen aller Art“ an. Dort kann ein Kunde rechtliche Fragen stellen und allenfalls Unterlagen hochladen. Das Softwaretool identifiziert dann automatisch die Problemstellung, bietet eine entsprechende rechtliche Recherche und schlägt gegebenenfalls einen „angebundenen“ Rechtsanwalt vor, der sodann vom Kunden beauftragt werden kann. Ab Zustandekommen eines Mandates läuft die Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Kunden nicht mehr über die Plattform.
Die Beklagte erhielt für ihre Leistungen 25 % des Honorarbetrags aus dem Beratungsvertrag zwischen „Partner-RA“ und Kunden.
Der Kläger klagte auf Unterlassung und Urteilsveröffentlichung und argumentierte zusammengefasst, dass das Geschäftsmodell der Beklagten unzulässig sei und zur Verwechslungsgefahr mit Rechtsanwälten vorbehaltenen Tätigkeiten führe sowie gegen das anwaltliche Standesrecht verstoße.
Entscheidung:
Das Erstgericht wies die Klage zur Gänze ab. Berufungsgericht und OGH änderten das Urteil leicht zugunsten des Klägers ab:
Der Beklagten wurde es schließlich verboten, sich im geschäftlichen Verkehr für die Vermittlung von anwaltlichen Dienstleistungen einen Prozentsatz des vereinnahmen Honorars von Rechtsanwälten versprechen zu lassen oder in der Folge auch einzunehmen, und die Honorarabrechnung von Rechtsanwälten zu übernehmen, wonach alle Honorare zuerst an die Beklagte überwiesen werden und erst danach von dieser nach Abzug ihrer Provision an Rechtsanwälte weitergeleitet werden.
Das Mehrbegehren wurde abgewiesen:
Eine Irreführungseignung der Verwendung des Firmennamens der Beklagten (Anm.: der zumindest suggeriert, dass Rechtsberatung angeboten wird) als Domainnamen und in der Mailadresse sowie der Verwendung des Zusatzes „law“ wurde verneint. Nach Ansicht des OGH lässt das Wort „Law“ in der konkreten Gestaltung des Firmenwortlauts bzw in Kombination mit der Marke der Beklagten nicht an eine Anwaltskanzlei denken. Eine Rechtsabteilung („on demand“ oder nicht) ist nach dem Durchschnittsverständnis der angesprochenen Verkehrskreise, aber auch nach allgemeinem Verständnis keine Anwaltskanzlei. Eine Verwechslungsgefahr mit einem Anwalt bzw einer Anwaltskanzlei oder auch nur ein Verschwimmen der Grenzen zwischen externem Dienstleister und Anwalt ist hier nicht zu befürchten.
Auch das Unterlassungsbegehren, Anwälten Handlungsempfehlungen „in recht[s]beratender Weise zu erteilen oder maschinell erteilen zu lassen“, wurde abgewiesen. Denn der mit dem Fall befasste Anwalt sei weder an angebotene Erwägungen, Materialien, Rechercheergebnisse oder sonstige Handlungsempfehlungen des KI-Tools gebunden. Der Anwalt trage nach wie vor die Letztverantwortung.
Auch die Durchführung der Kommunikation über die Plattform der Beklagten sei keine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht nach § 9 Abs 2 RAO.
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